IV, 3.

[78] Faustine und Praktinski treten in Reisekleidern auf.


PRAKTINSKI.

Ihr sollt von den Kommilitonen

Nun Abschied nehmen ohne Weh.

Um ihren schwachen Kopf zu schonen,

Genießen sie chines'schen Thee.

FÜHRIANA.

Faustine, du, in uns'rer Mitte!

Was führt dich Stolze bei uns ein?

Es war doch sonst nicht deine Sitte,

Genossin unsers Klubs zu sein.

KLETTINA.

Und wer gar ist denn dein Begleiter!?

Du gingst doch immer männerlos.[78]

Dem Anschein nach ist er ein Damenschneider,

Am End' dazu noch ein Franzos!

Wie fest ihm Rock und Hosen sitzen!

Drin kann er einzig aufrechtsteh'n.

Der wird dir nicht den Kopf erhitzen

Und bald allein zur Ruhe geh'n.

PRAKTINSKI.

Ich will das lose Maul dir stopfen,

Die meine Würde so verkennt.

Dir wird erst dann das Herzchen klopfen,

Wenn meine Hoheit dir sich nennt.

KLETTINA.

Danach schon meine Neugier brennt.

PRAKTINSKI.

Verkennen Sie mich nicht, geehrte Damen!

Ich bin Verfechter Ihrer edeln Sache,

Zwar noch ein neues Bild für Ihren Rahmen,

Beachtenswerth doch in der Mache.

Ich bin kein Freund der Offensive

In Ihren vielbesproch'nen Rechten.

Beschränken Sie Sich auf die Defensive:

Sie werden schnellern Sieg erfechten.

SATTILKA.

Willkommen uns als Förderer des Guten!

Allein mit Ihrem Rath sind schlecht wir dran.

Wir suchen den Erfolg im Sputen;

Sie doch empfehlen Stillstand an.

PRAKTINSKI.

Auf welche Weise: hören Sie mir zu!

Gar vieles treibt, was stille scheint zu steh'n.

Die Erde wandelt weiter ohne Ruh':[79]

Und doch hat niemand sie noch laufen seh'n.

Schaut man das Wachsen gleich in der Natur?

Passiv erscheint der Baum, die weite Flur.

In dieser Art denk' ich die Defensive:

Man wacht und thut nur so, als ob man schliefe.

Packt doch das Uebel bei der Wurzel an;

So ist schon für die Heilung viel gethan:

Ihr streikt! Den Männern, die an euch sich arg versündigt,

Sich ungleich in die Welt mit euch getheilt,

Sei ohn' Verzug der Dienst von euch gekündigt,

In dem so lange rechtlos ihr verweilt.

Kein Händedruck, kein Kuß darf fürder sie beglücken,

Kein Liebesdienst erwiesen ihnen sein!

Begehren sie etwas, so weist den Rücken;

Mit einem Worte, lasset sie allein.

Und wollten auch sie Schirm und Mäntelchen euch tragen

Auf dem Spaziergang, einem Diener gleich,

So müßt versagen beides ihr und tüchtig schlagen

Auf eine Hand, die an Vergeh'n so reich.

So macht ihr sicher schnelle sie nachgiebig.

Den Preis für neue Gunst setzt ihr beliebig. –

Macht für die frische Lehre Propaganda!

FÜHRIANA.

Kolumbus rief vor Guanhani: Land da! –

Vorzüglich! bravo! neuer Herr Professor,

Den anfangs haben schändlich wir verkannt!

Uneigennützig öffnen Sie den Tresor.

Wir reichen Ihnen für die Gunst die Hand.

Ja solch ein Mann dient unserem Geschlechte!

Faustine, auch für uns wär' er der Rechte!

Bring' öfters ihn hierher in den Verband!


Will Praktinski die Hand reichen.


Was Teufel! Habt ihr Krallen an der Hand?

FAUSTINE.

Ihr ahnet nicht, wer hier euch predigt.[80]

PRAKTINSKI.

Die langen Nägel zieren unsern Stand. –

Hiermit wär' mein Geschäft erledigt.

KLETTINA.

Ihr müßt uns manches weiter sagen,

Was fruchten kann in schweren Tagen.

Ein Born von solcher Lauterkeit

Fließt selten nur in uns'rer Zeit.

FAUSTINE für sich.

Er übertüncht geschickt des Innern Schwärze.

PRAKTINSKI.

Sie reden so wohl nur im Scherze!

Ich kann bloß Leiter dessen sein, was sich in vielen

Gehirnen regt und sich zum Ausgang drängt,

Nur Lenker zu den großen Zielen,

Woran der Menschheit Grübeln hängt,

Zur Wallfahrt nach den großen Götzen,

Die bald erheben, bald entsetzen.

FAUSTINE für sich.

Wie er bescheiden thut und zahm!

Auf Tigermilch der zarte Rahm!

PRAKTINSKI.

Das Oberste in der Natur und in dem Leben

Ist das Gesetz, das Ordnung uns erhält.

Für jene ist's von Urzeit her gegeben;

Für dieses ward's vom Manne aufgestellt.

Nun blicket hin, wie ihr dabei gefahren!

Nicht über euer Eigenthum könnt frei ihr schalten.

Ihr dürft es euch nicht selbst bewahren;

Der Mann zumeist muß es der Frau verwalten.[81]

Ob er dazu die Fähigkeit besitzt,

Wird erst erkundet, wenn es nichts mehr nützt.

Den Brunnen deckt man zu erst, wenn das Kind ertrank;

Ich sag' euch, das Gesetz ist krank.

Es stürb' am besten; es ist ein Herodes,

Der selbst sich schützt, geh'n and're auch des Todes.

SATTILKA.

Vortrefflich! Das wird festgenagelt!

Einseitig Recht, das einfach ab uns kragelt!

PRAKTINSKI.

Und auch ein wunder Punkt ist euere Erziehung:

Zum Schäfchen werdet ihr von vornherein bestimmt,

Das recht bescheiden nur das Futter nimmt,

Das ihm der Stier gelassen zur Bemühung. –

Ein Vorhang muß euch frühe schon umgeben,

Der euerm Blick die Fernbeziehung raubt.

Von Engeln glaubt ihr eu're enge Bahn umgeben,

Dieweil ein Teufel euern Geist zurückeschraubt.

Kein Wunder, wenn euch fehlt das Disponieren!

Die Uebung nur lehrt Geistestruppen führen.

Unkenntniß nimmt der Mann für Unvermögen:

Zur Leitung sei die Frau allzu beschränkt.

Wie soll das Weiterdenken sich denn regen,

Wenn nie des Hirnes Knospe wird gesprengt,

Wenn mit dem Nächsten nur ihr flach verkehret,

Wenn euch der zagste Schritt aus euch nicht wird gestattet,

Brutal euch die Entfaltung wird verwehret

Und nur erlaubt, daß ihr euch gattet?

KLETTINA.

Den Streik! den Streik! O, Wasser auf die Mühle!

Ihr sprecht in lapidar'schem Stile.

PRAKTINSKI.

Verkünstelt nicht! – Der Mann glaubt über euch zu steh'n!

Doch auf die Probe, ob's so wirklich sei, geht er nicht ein.[82]

Jahrtausende hat er verzieh'n sich seh'n,

Eh' er auf seinen jetz'gen Standpunkt sich erhob.

Bei euch soll es im Handumdrehen sein.

Erinnert man ihn dran, so wird er grob.

Ja, Bauer, das ist sehr verschied'ne Sache,

Ob du es oder ich es mache!

Gönnt jemals der Gewalthaber euch Macht

Zu der Entscheidungsschlacht, sei der Beweis erbracht,

Daß ihr ihm gleich an Fähigkeiten seid.

Erliegt ihr drin, galt doch Gerechtigkeit.

FAUSTINE.

Ja, schlagt nur eu're Weiblichkeit in Stücke:

Der Hahn wird stetig vor der Henne flügge!


Zu Praktinski.


Ihr habt nun wohl genug gerührt

Und Gift in Fülle eingegeben.

Wenn diese Lockung sie noch nicht verführt,

So keimt in ihnen nie der Freiheit Leben.

PRAKTINSKI zu Faustine.

Du kennst die Leutchen schlecht! Kapitelfest

Ist keine drunter: Wenn der Rechte käme

Und schmeichelnd sie beim Schopfe nähme,

Sie alle folgten in sein warmes Nest. –

Nehmt nicht an eu'rer Seele Schaden:

Der Teufel ist's, der euch berathen!


Fliegt mit Faustine dem Ausgang zu; beide verschwinden.


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 78-83.
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