V, 2.

[92] Praktinski tritt in gewöhnlicher Kleidung auf.


PRAKTINSKI.

Tratst du schon deinem Wunsche näher?

Hat sich das Herzenspförtchen aufgethan?

FAUSTINE.

Zur Hölle nieder, arger Späher!

Er sah mich erst noch gar nicht an.[92]

PRAKTINSKI.

Hab' nur Geduld! Er kann sich noch nicht fassen.

Verlangen kämpft in ihm mit ält'rer Pflicht.

Demnächst wird er sein Schätzchen schon verlassen

Und schauen dir voll Lieb' in's Angesicht.

Ein Tränklein hab' ich schon für ihn bereit.

FAUSTINE.

Lang' wart' ich nicht! – Gieb mir Gelegenheit,

Die Nebenbuhlerin zu seh'n. Ich möchte Gift

Ihr geben.

PRAKTINSKI.

Alles hat so seine Zeit!

Doch weiß ich schon, wo man sie trifft.

Du sollst das Paar zusammenfinden,

Das Pulver ihrer Sprengung sein.

Schwer wirst du's freilich überwinden,

Das herz'ge Kind zu überliefern seiner Pein.

FAUSTINE.

Draus mach' ich nimmer mir Gewissensbissen!

Zeig' gleich den Weg zu ihrer Wohnung mir,

Damit, wenn ihn ich dort kann wissen,

Als Schicksal trete durch die Thür.

PRAKTINSKI.

Ganz fürchterlich! Verhängniß willst du spielen,

Nur um dein Müthchen an dem armen Wurm zu kühlen.

Die Muße sollten weislich wir benutzen,

Zu beuten unsere Erfindung aus.

FAUSTINE.

Du magst den Mond und Sterne für die Menschen putzen:

Ich will in das mir grundverhaßte Haus.


Beide zusammen ab.
[93]


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 92-94.
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