V, 26.

[122] Faustine, einfach gekleidet, erscheint.


FAUSTINE.

Ich hörte einen Todesschrei

Und eilt' herbei.

Wer liegt entseelt mir zu den Füßen?

Der Mondschein will ihn noch begrüßen. –

Musarion! Weh', Musarion!

Das also ist der Liebe Lohn:

Ich habe dich getödtet!

Du selber dich doch nicht,

Du jetzt erloschen Licht![122]

Das Dasein ist mir voll verödet.

Es birgt sich vor dem Greuel selbst des Mondes Licht.

PRAKTINSKI hervortretend.

Ich bin der Löscher dieser Flamme.

FAUSTINE.

O daß dafür dich Gott zum andernmal verdamme!

PRAKTINSKI schrecklich.

Einmal genug! Es gilt in Ewigkeit. –

Zur Arbeit mache dich bereit!

Du hast auch Pflichten gegen mich, die zu erfüllen

Ich Zwang dir setzen kann, auch gegen deinen Willen. –

Dank' mir's, daß du mit deiner Liebeshast

Ein Ende nun gefunden hast!

FAUSTINE.

Verlangst du Lob für deinen Graus?!

Auch die dadurch entstand'ne Trauer ehrst du nicht,

Die in verhalt'nen Thränen spricht!

Sie füllt mein künftig Leben aus.

Pfui, Mörder! Und an dich galeerenhaft gebunden,

Soll ich hinmartern ew'ge Stunden!

PRAKTINSKI.

Das Löschblatt über diese blut'ge Schrift!

Du wolltst ja den Versagenden einst selbst ermorden.

Wie sich das trifft!

Ich bin Vollstrecker deines Willens nur geworden.

FAUSTINE.

Vergelter! – Könnt' ich ihn noch um Verzeihung fleh'n![123]

PRAKTINSKI.

Was du an ihm gesündigt, bleibt besteh'n! –

Schlag' trostlos nicht die Augen nieder!

Vielleicht siehst du ihn in der Hölle wieder.


Faustine wirft sich schmerzbewegt über den Leichnam Musarion's. Praktinski tritt betroffen hinter den Baum zurück, als er Innocentia nahen sieht.


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 122-124.
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