10. Auftritt.

[33] Rosa. Friederike. Paula.


FRIEDERIKE UND PAULA im Reisekostüm, mit übergehängten Taschen, vielem Handgepäck und einigen Buketts in der Hand, kommen durch die Mitte.

FRIEDERIKE hat die letzten Worte Rosas gehört. Rosa, was machst du denn da?

ROSA. Barmherziger Himmel! Die Madame und das Fräulein!

FRIEDERIKE. Was hast du denn da gelesen?

ROSA. Ach Gott, es ist nur eine Postkarte vom Herrn an die gnädige Frau.

FRIEDERIKE. Und das liest du? Reißt Rosa die Karte fort.[33]

ROSA. Nein, die gnädige Frau, so unerwartet. Jammernd. Was wird nur der Herr Professor dazu sagen?

FRIEDERIKE. Wieso?

ROSA. Ich meine nur, weil wir uns schon so sehr nach Ihnen gesehnt haben.

PAULA hat ihr Handgepäck abgelegt. Wo ist denn Papa?

ROSA. Da drinnen, er wollte eben ins Schützenhaus gehen.

FRIEDERIKE erstaunt. Ins Schützenhaus?

ROSA. Ja, wegen dem Sich besinnend. wegen dem Bier; er geht jeden Abend ins Schützenhaus wegen dem Bier.

FRIEDERIKE. So, so? Hole jetzt unsere Koffer herauf. Legt ab.

ROSA. Schön, Madame! – Ab durch die Mitte.

PAULA. Ich will Papa gleich sagen, daß wir hier sind.

FRIEDERIKE. Nein, bleib nur; wir wollen ihn hier überraschen.

PAULA. Der gute Papa wird Augen machen! Jetzt, wo er eben noch an dich geschrieben hat – –[34]

FRIEDERIKE liest die Karte. »Meine liebe Friederike, ich sitze hier einsam an meinem Schreibtisch bei einer Tasse Tee – Stockt, sieht Paula fragend an. es ist halb neun Uhr« –

PAULA. Mama, es ist ja erst dreiviertel auf acht.

FRIEDERIKE weiterlesend. »Vor mir auf dem Schreibtisch steht dein Bild« –

PAULA findet auf dem Schreibtisch das Bild, das Striefe dorthin gestellt hat, sieht es an, erschrickt. Ah! Steckt das Bild in die Tasche.

FRIEDERIKE. Was hast du denn?

PAULA unschuldig. Ach, nichts.

FRIEDERIKE weiterlesend. »Die kleinen Blümchen, die Ihr mir geschickt habt, stehen vor mir im Wasserglas« –

PAULA unwillig. Mama, die Blümchen liegen ja hier im Aschbecher.

FRIEDERIKE beiseite. Das sind ja lauter Lügen. Weiter lesend. »Ich sehne mich sehr nach Euch, aber trotzdem bitte ich Euch dringend, noch einige Zeit ins Heringsdorf zu bleiben. Wir haben nämlich kein Dienstmädchen im Hause.«

PAULA. Wie?

FRIEDERIKE weiter lesend, schnell. »Die arme Rosa hat einen herben Verlust erlitten. Ihre Tante in Insterburg ist an Kopftyphus gestorben; natürlich will sie am Begräbnis teilnehmen; wer könnte der Bedauernswerten diesen Wunsch versagen. Ich habe sie auf acht Tage beurlaubt, gestern abend ist sie tiefgebeugt abgereist.«[35]

PAULA entsetzt die Hände zusammenschlagend. Mama!

FRIEDERIKE auf einen Stuhl sinkend. Entsetzlich!


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 33-36.
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