3. Auftritt.

[7] Vorige. Dr. Neumeister. Marianne.


NEUMEISTER den Kopf zur Tür hereinsteckend. Gute Abend, Schwiegerpapa. Da im Vorzimmer ist eine kleine reizende Frau, darf ich sie hereinlassen?[7]

GOLLWITZ. Meinetwegen.

MARIANNE schiebt Neumeister zurück und sieht ins Zimmer. Papa, darf denn mein Mann, der unausstehliche Mensch, auch mit hereinkommen?

GOLLWITZ. So kommt doch schon, Ihr großen Kinder, Ihr laßt Euch ja ohnedies selten genug sehen bei Eurem armen, verlassenen Papa.

NEUMEISTER. Ja, es ist unrecht von uns, aber wir sind so glücklich –

MARIANNE. Und wenn Leopold den ganzen Tag fort ist, bin ich auch froh, wenn ich ihn des abends zu Hause habe.

NEUMEISTER. Natürlich!

MARIANNE. Aber du solltest öfter zu uns kommen –

NEUMEISTER. Oder mal ins Gasthaus gehen. Was machst du denn ganz allein zu Hause?

GOLLWITZ. Ich langweile mich eben. Ich hätte nie gedacht, daß mir Mama und Paula so fehlen würden.

MARIANNE. Was für Nachricht hast du denn von ihnen?

GOLLWITZ. Da liegt ihr letzter Brief von vorgestern.

MARIANNE nimmt den Brief vom Schreibtisch. Da sind ja auch Blumen darin. Nimmt ein gepreßtes Blumensträußchen heraus.[8]

GOLLWITZ. Die hat Paula auf einem Spaziergang gepflückt.

MARIANNE. Ach, wie nett! Liest den Brief.

NEUMEISTER. Also der Schwiegermama bekommt das Bad gut?

GOLLWITZ. Ja, ihr schon, aber – mir?! Nimmt Neumeister beiseite. Weißt du, lieber Junge, solche Badereise kostet doch verteufelt viel Geld. Ich habe es mir jetzt zusammengerechnet, – unter zweitausend Mark komme ich nicht weg.

NEUMEISTER. Aber für Mama war es wirklich notwendig.

GOLLWITZ. Und für Paula auch; das Kind ist jetzt siebzehn Jahr alt, man muß sie doch ein wenig in die Welt führen. Das sehe ich ein. Aber du weißt, wie knapp ich mich mit meinem Gehalt einrichten muß; zweitausend Mark reißen ein Loch in die Rechnung. Ich habe mir vorläufig damit geholfen, daß ich Paulas Geld von der Sparkaffe nahm; aber das muß wieder ersetzt werden denn, wenn es meine Frau erführe –!

NEUMEISTER. Das könnte hübsch werden!

GOLLWITZ. Ob ich mal eine Kleinigkeit auf der Börse riskiere.

NEUMEISTER entrüstet. Papa! –

GOLLWITZ. Es machen's doch so viele Leute.

NEUMEISTER. Aber du verstehst gar nichts davon![9]

GOLLWITZ. Das ist wahr, und mit dem, was ich verstehe, ist eben nichts zu verdienen.

MARIANNE hat inzwischen den Brief gelesen. Mama und Paula scheinen sich ja sehr zu amüsieren.

GOLLWITZ. Ich gönne es ihnen; aber ich kann Euch sagen, mir sind die vier Wochen entsetzlich lang geworden. Wenn man so durch zwanzig Jahre gewöhnt ist, Tag für Tag Frau und Kind um sich zu haben und dann auf einmal mutterseelenallein in seinen vier Wänden hockt –

MARIANNE. Armer Papa. Was hast du denn nur immer gemacht?

GOLLWITZ. Ich habe alles mögliche versucht. Meine Bibliothek geordnet, Rechnungen, Briefe, Manuskripte durchstöbert, sogar bis auf meine Studentenzeit zurück; – Kinder, da habe ich unter anderem das Ding hier ausgegraben, das hat mir wirklich Spaß gemacht. Nimmt aus einem Schreibtischfach ein Manuskript.

NEUMEISTER. Das sieht ja wie lyrische Gedichte aus.

GOLLWITZ. Schlimmer, – eine Römertragödie.

MARIANNE. Die du geschrieben hast?

GOLLWITZ. Ja, als Student. Mein Gott, welcher Student hätte keine Römertragödie geschrieben! Und nun habe ich das Ding wieder durchgelesen und dabei wirklich meine helle Freude gehabt. Es ist ja natürlich unreif und unfertig, aber es ist doch Schwung darin und Feuer und – Jugend.


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 7-10.
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