5. Auftritt.

[14] Rosa. Striese.


ROSA mit Striese durch die Mitte. So, bitte, treten Sie nur hier ein; der Herr Professor ist zu Hause; ich habe ihm schon gesagt, daß Sie hier waren.

STRIESE spricht im sächsischen Dialekt. Nu, das ist ja sehr schön, da danke ich Ihnen auch ganz ergebenst, mein Fräulein.

ROSA. Ich werde Sie gleich melden.

STRIESE. Nee, nee, bitte, warten Sie noch 'nen kleinen Augenblick, Legt Hut, Ueberzieher und Schirm auf einen Stuhl im Hintergrund, erscheint im Frackanzug. ich muß mich erst in Positur werfen. So, so. Und nun haben Sie die große Güte und sagen Sie dem Herrn Professor: der Theaterdirektor Emanuel Striese ließe ganz gehorsamst um die Ehre bitten. –[14]

ROSA. Herrgott! Sie sind der Theaterdirektor!

STRIESE. Ja. Nicht wahr, da staunen Sie. Ich bin gerade dabei, den Herren Honoratioren meine Besuche zu machen. Sagen Sie mal, mein schönes Fräulein, geht denn Ihre Herrschaft fleißig ins Theater?

ROSA. Ach, bewahre! Seit ich hier im Dienst bin, ist noch keiner aus dem Haus ins Theater gekommen.

STRIESE. Was Sie sagen! – Und wie lange sind Sie denn schon hier im Dienst?

ROSA. Zu Micheli werden es zehn Jahre.

STRIESE. Ei, du blaues Donnerwetter du – wie ist denn das nur möglich?

ROSA. Die Madame erlaubt's nicht.

STRIESE. Und sollte man den Herrn Professor denn gar nicht ein bißchen für die Kunst interessieren können?

ROSA. Den wohl, der hat sogar selbst ein Stück geschrieben.

STRIESE interessiert. Ah!

ROSA. Dort auf dem Schreibtisch liegt es. Ich sage Ihnen, das ist ein Stück, das ist ein Stück! So was aus der alten Zeit.

STRIESE. Nu hören Sie. Hat er es denn schon irgendwo aufführen lassen?[15]

ROSA. Gott bewahre. Außer mir kennt's kein Mensch.

STRIESE. Ei, Herrjeses, das wäre Butter auf meine Bemme!

ROSA. Wie?

STRIESE. Hören Sie, liebes Fräulein, der Herr Professor ist wohl so einer von die Ersten hier in der Stadt?

ROSA. Das will ich meinen; – wenn der über die Straße geht, den grüßen alle Jungens.

STRIESE. Nu, so was. Ueberlegend. Hm, hm, hm!

ROSA. Was haben Sie denn?

STRIESE. Nee, nee, nee, horchen Sie nur gar nicht hin! Es geht mir nur so eine Idee durch den Kopf.

ROSA. Ich werde dem Herrn Professor sagen, daß Sie hier sind. Ab rechts.

STRIESE. Das ist recht, – das ist recht. Sagen Sie's ihm. Für sich. Striese, jetzt könntest du zeigen, daß du ein Diplomat bist. Wenn ich denke, wie wir voriges Jahr in Königsroda das Stück von dem Telegraphenbeamten gegeben haben – es war, weiß Gott, das reine Blech – aber das Theater war bumsdicke voll. Nun ja, wenn einer aus der Stadt ein Stück schreibt, auf so was laufen die Leute immer. Meine Frau hat's hernach noch zum Abschiedsbenefiz gegeben und 's war auch wieder ausverkauft. Zwei ausverkaufte Häuser! Das soll dem Telegraphenbeamten in Königsroda erst einer nachmachen, nicht einmal der Goethe bringt das fertig und das ist doch gewiß ein Tausendsappermenter als Dichter.


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 14-16.
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