8. Auftritt.

[27] Vorige. Rosa.


ROSA durch die Mitte. Herr Professor?

GOLLWITZ. Wenn der Herr, der eben fortgegangen ist, jemals wiederkommt, so sagst du ihm, ich wäre verreist, ich hätte mich einer wissenschaftlichen Expedition nach dem Nordpol angeschlossen.[27]

ROSA. Schön, Herr Professor. Ab.

STRIESE hat bisher im Vordergrund im Manuskript geblättert. Herr Professor, dafür lege ich meine Hand ins Feuer: das dahier ist ein Aktschluß von großartiger Wirkung. Wie da im Vordergrund jeder einzelne Römer eine verzweifelte Sabinerin im Arm hält, während in der Mitte der König Titus Tatius in einem Fluch die Fäuste gen Himmel reckt und ganz im Hintergrund der Mond auf die Geschichte herunterschaut! – Da möchte ich doch gleich eine ganze Sonntagseinnahme gegen einen einzigen Nickel verwetten, daß die Leute, wenn sie nach Hause gehen, sagen werden: So was haben wir, weiß Gott, auf unserm Theater noch nicht erlebt.

GOLLWITZ. Ja, das liest sich vielleicht ganz hübsch, aber wer weiß, wie es auf der Bühne wirkt.

STRIESE. Nu, sein Sie so gut, dafür bin ich gerade fünfundzwanzig Jahre Theaterdirektor; wenn ich ein Stück lese, dann stellt sich vor meinem geistigen Auge gleich alles in dramatischen Formen dar.

GOLLWITZ. Nun denn, lieber Direktor, ich will Ihnen reinen Wein einschenken. Das Stück ist nicht von einem meiner Freunde, – es ist von mir selbst.

STRIESE Gollwitz schalkhaft drohend. Ob ich mir's nicht gleich gedacht habe, Herr Professor? Mir macht keiner keine Fisematenten vor.

GOLLWITZ. Nun werden Sie begreifen, daß bei meiner Stellung als Schulmann und bei meinen Familienbeziehungen in dieser Stadt an eine Aufführung dieses Stücks gar nicht zu denken ist.[28]

STRIESE. Aber, Verehrtester, Sie brauchen sich ja am Ende gar nicht als Verfasser auf dem Zettel zu nennen; da machen wir einfach drei Sternchen, und wenn mich einer darnach fragt, so sage ich eben, das Stück ist von einer hervorragenden, aber ungenannt sein wollenden Persönlichkeit hiesiger Stadt.

GOLLWITZ. Nein, darauf kann ich mich unmöglich einlassen, es käme schließlich doch heraus, schon durch die Schauspieler.

STRIESE. Da können Sie nun ganz unbesorgt sein; auf meine Leute kann ich mich verlassen. Da gibt's gar kein Geträtsche; dafür sorgt schon meine Frau.

GOLLWITZ. Frau? Beiseite. Alle Wetter, da fällt mir meine eigene Frau ein – wenn die erführe – Laut. Nein, mein lieber Direktor, schlagen Sie sich die Sache aus dem Kopfe, es geht absolut nicht.

STRIESE. Herr Professor, machen Sie einen armen Theaterdirektor nicht unglücklich. Und Sie selber! Bedenken Sie nur, was Sie für ein schönes Sümmchen Geld dabei verdienen können. Wenn wir es erst aufgeführt haben, dann wird's auf allen großen Theatern gegeben, und dann schneit es Ihnen die Hundertmarkscheine nur so zum Fenster herein.

GOLLWITZ zögernd. Wenn es aber nicht gefällt?

STRIESE. Von Nichtgefallen kann bei dem Stück überhaupt nicht die Rede sein. Uebrigens können Sie mir nach der letzten Probe immer noch sagen: Striese, es ist nichts, ich nehme mein Stück zurück.

GOLLWITZ. Allerdings, wenn Sie mir diesen Weg zum Rückzug offen lassen, und mir tiefste Verschwiegenheit geloben, dann wäre ja am Ende gar nichts riskiert dabei, und dann könnte ich mich vielleicht entschließen –[29]

STRIESE. Nee, Sie sind schon enschlossen, Herr Professor, das sehe ich Ihnen an der Nasenspitze an; – schlagen Sie ein, die Sache ist abgemacht.

GOLLWITZ einschlagend.

STRIESE. Ich gebe es gleich zur Eröffnungsvorstellung.

GOLLWITZ. Das wäre ja schon in acht Tagen?

STRIESE sich den Ueberzieher anziehend. Freilich, am 6. September.

GOLLWITZ. Das wäre mir recht. – Beiseite. Solange bleibt meine Frau jedenfalls noch in Heringsdorf. Laut. Können Sie denn die Rollen auch gut besetzen?

STRIESE das Manuskript unter dem Arm, den Hut in der Hand. Na, seien Sie so gut, Herr Professor, da haben wir schon ganz andere Stücke besetzt. Und das sage ich Ihnen gleich: den König Titus Tatius gebe ich selber, schon wegen der künstlerischen Verkörperung des königlichen Anstands. Meine Frau spielt die Virginia; da werden Sie Ihre Freude erleben. Die Rolle ist ihr sozusagen auf den Leib geschrieben.

GOLLWITZ. So, so!

STRIESE. Sehen Sie, da habe ich gerade ein paar Bilder von ihr. Zieht aus der Rocktasche einige Photographien. Da ist sie als »Maria Stuart« – da als »jüngster Leutnant« und hier als »schöne Helena«. Da ist sie am besten getroffen; wenn Sie gütigst erlauben, lasse ich Ihnen das Bild zum Andenken hier. Er stellt das Bild mit vieler Umständlichkeit so auf den Schreibtisch, daß es dem Publikum im Auge bleiben muß. Und nun empfehle ich[30] mich, Herr Professor. Es bleibt doch bei unserer Verabredung, nicht wahr?

GOLLWITZ gibt Striese die Hand. Ja; aber was Ihre Frau anbelangt, die »Virginia« ist doch eigentlich eine tragische Rolle.

STRIESE. I das macht gar nichts. Die Frau hat eine staunenswerte Verwandlungsfähigkeit in sich; die Herren Kritiker vergleichen sie immer mit einem Chamäleon. Ich sehe sie schon vor mir, wie sie zum zweiten Aktschluß vor dem König Romulus auf die Knie stürzt, sich die Oberkleider vom Leibe reißt und ausruft:


»In meines Unglücks Nacht blieb mir der feste Glauben.

Du kannst das Leben mir, doch nicht die Ehre rauben.«


Ich habe die Ehre. Ab.

GOLLWITZ. Wenn die Sache nur verschwiegen bleibt, denn sonst – ich hätte doch am Ende – – Wendet sich nach hinten.


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 27-31.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Raub der Sabinerinnen
Der Raub der Sabinerinnen: Schwank in vier Akten

Buchempfehlung

Jean Paul

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Die wunderbare Gesellschaft in der Neujahrsnacht / Des Feldpredigers Schmelzle Reise nach Flätz. Zwei Erzählungen

Zwei satirische Erzählungen über menschliche Schwächen.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon