9. Auftritt.

[31] Gollwitz. Rosa.


ROSA eilig durch die Mitte. Herr Professor, Herr Professor, der hat ja unser Stück mitgenommen –

GOLLWITZ. Wer?

ROSA. Der Theaterdirektor – ich hab's doch gesehen, er hat es in der Hand gehabt.

GOLLWITZ. Unsinn, das wird wohl irgend ein anderes Buch gewesen sein.

ROSA. Nein, das war unser Stück, ich habe ganz deutlich den Kaffeefleck auf dem Umschlag gesehen.[31]

GOLLWITZ. Aber wenn ich dir sage – –

ROSA. Herr Professor, geben Sie sich keine Mühe, ich weiß alles, unser Stück wird aufgeführt, hier im Theater, von richtigen Schauspielern.

GOLLWITZ. Pst! Schreie doch nicht so!

ROSA flüsternd. Soll es denn niemand wissen?

GOLLWITZ. Natürlich nicht. Daß du dich nicht unterstehst, auch nur eine Silbe zu verraten, keinem Menschen und besonders meiner Frau nicht, wenn sie am Ende doch früher zurückkommen sollte. Beiseite. Ich werde ihr übrigens gleich schreiben, sie soll noch vierzehn Tage wegbleiben. Setzt sich zum Schreibtisch.

ROSA. Nein, nein, verlassen Sie sich nur auf mich, von mir soll keine Seele etwas erfahren. Sehen Sie, Herr Professor, noch gestern beim Teppichklopfen ist es mir eingefallen. – Ach Gott, hab' ich mir gesagt, wenn die Madame zurückkommt, ist es aus mit der schönen Zeit. Ich werde es aber nie vergessen, Herr Professor, Gerührt. wenn Sie abends so dagesessen haben und gelesen und gelesen und mir sind immer die dicken Tränen heruntergekullert, und dann habe ich noch die ganze Nacht davon geträumt, es war zu schön! –

GOLLWITZ schreibend, ohne auf Rosa zu hören. Wenn ich nur einen glaubwürdigen Vorwand wüßte, um meine Frau noch so lange hinzuhalten! – Ah, das wird gehen! Schreibt eifrig fort.

ROSA. Aber eines steht fest: wenn das Stück hier im Theater gegeben wird, muß ich dabei sein. Und wenn mich die Madame nicht hinlassen will, dann lauf' ich ohne Erlaubnis fort, und[32] wenn sie mich am nächsten Tag wegjagt, dann tröste ich mich mit den schönen Worten aus unserem Stück: »Und ist dein Zorn auch noch so hoch gestiegen, du kannst mein Herz wohl brechen – doch nicht biegen.«

GOLLWITZ hat fertig geschrieben, gibt Rosa eine Postkarte. So, Rosa, gib diese Karte gleich auf die Post. Ich ziehe mir einen andern Rock an und gehe ins Schützenhaus hinüber. Im Abgehen nach rechts, beiseite. Ich will doch wenigstens sehen, wie die Bühne aussieht. Ab rechts.

ROSA liest die Karte. »Liebe Friederike, ich sitze hier einsam an meinem Schreibtisch bei meiner Tasse Tee – –«


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 31-33.
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