11. Auftritt.

[69] Friederike. Striese.


STRIESE von rechts. Ei Herrjemersch, die Frau Professorin! Will zu Mitteltür schleichen.[69]

FRIEDERIKE bemerk Striese. Was ist denn das? – Ein Fremder? Laut. Was wünschen Sie, mein Herr?

STRIESE verlegen, beiseite. Sie hat mich schon. Nun heißt's frech sein. Laut. Nun sehen Sie, verehrte Frau Professorin –

FRIEDERIKE. Sie kennen mich? Suchen Sie vielleicht meinen Mann?

STRIESE. Den Herrn Professor – i bewahre, wie käme ich denn dazu?

FRIEDERIKE. Also meinen Schwiegersohn?

STRIESE. Ganz recht, gnädige Frau, ich bin nur wegen des Herrn Doktors da.

FRIEDERIKE. Dann will ich ihn rufen. Macht einen Schritt zur Tür links.

STRIESE. Nee, nee, Madame, ich danke schön; bemühen Sie sich nur gar nicht, wir haben uns schon völlig ausgesprochen.

FRIEDERIKE erstaunt. Ausgesprochen?

STRIESE. Ja, ja, wir sind ganz einig miteinander.

FRIEDERIKE beiseite. Der Mensch scheint mir so verlegen? – Laut. Erlauben Sie, mein Herr, Sie sind nicht aus unserer Stadt?

STRIESE. Nee, Verehrteste, wenn Sie es nicht ungütig nehmen möchten, ich bin aus Leipzig.[70]

FRIEDERIKE aufschreiend. Aus Leipzig? Herr, dann sind Sie also – –?

STRIESE ängstlich. Nee, nee, Madame, das bin ich wahrhaftig nicht, ich bin nur ganz zufällig hergekommen zum – Schützenfest.

FRIEDERIKE auffahrend. Zum Schützenfest?

STRIESE beiseite. Wenn ich nur erst draußen wäre. Will sich zur Tür schleichen.

FRIEDERIKE hält Striese fest. Mein Herr, Sie wollen mir den Grund Ihres Hierseins verheimlichen. Geben Sie sich keine Mühe. Ich weiß, was Sie hier im Hause suchen.

STRIESE. Sie weiß es? – Ich bin ein geschlagener Mann!

FRIEDERIKE. Und nun lasse ich Sie nicht fort von hier, bis alles zwischen uns klar ist.

STRIESE beiseite. Ach du himmlische Barmherzigkeit – sie will mir das Stück wegnehmen.

FRIEDERIKE. Ich kenne das traurige Los Ihrer Nichte.

STRIESE. Meiner Nichte? Verzeihen Sie, ich habe gar keine Nichte.

FRIEDERIKE. Weil Sie sie hartherzig verstoßen haben!

STRIESE. Ja, ja, ich habe sie verstoßen. Beiseite. Was meint sie denn eigentlich?[71]

FRIEDERIKE. Und jetzt sind Sie hergekommen, um von meinem Schwiegersohn Rechenschaft zu fordern?

STRIESE vergnügt, beiseite. Ei du Donnerwetter, du, es handelt sich also um den unangenehmen Menschen, den Doktor, und ich hatte schon eine heidenmäßige Angst wegen unseres Stückes.

FRIEDERIKE. Sagen Sie mir offen, hegen Sie noch einen Groll gegen Leopold?

STRIESE. Nu, wenn ich ganz aufrichtig sein soll, muß ich Ihnen sagen, Ihr Leopold ist ein ganz vorwitziger, junger Mensch, der mich in meinen innersten Gefühlen aufs bitterste gekränkt hat.

FRIEDERIKE. Ich verstehe Ihren Schmerz – was müssen Sie gelitten haben, bis sich hinter dem armen Mädchen die Pforten des Klosters für immer geschlossen haben.

STRIESE beiseite. Das ist ja eine ganze Räubergeschichte, die sich der junge Mann da zusammengedichtet hat. Na warte, dem werden wir es eintränken. Laut. Sehen Sie, Frau Professorin, über meine unglückliche Nichte will ich gar nicht mehr sprechen; die Sache ist mir zu peinlich. – Aber der junge Herr hat noch ganz andere Sachen auf dem Kerbholz.

FRIEDERIKE. Was sagen Sie?

STRIESE. Da hat er unter anderm in Leipzig ein Techtelmechtel gehabt mit einer gewissen Luise. Ihr Vater hieß Müller und war Musiker im Stadttheater-Orchester – bei dem alten Mann hat er sich eingeschlichen und hat sich so gestellt, als wollte er Flöte spielen lernen.

FRIEDERIKE. Es ist unerhört.[72]

STRIESE. Natürlich war gar keine Idee von Flöte spielen, auf das Mädel hat er es abgesehen. Das Ende war denn auch ein ungemein trauriges. Eines Tages hat er die arme Luise schnöde verlassen, unter dem unwürdigen Vorwande, daß sie ihm zu blaß sei. Nu hören Sie, das ist doch weiß Gott kein Benehmen für einen anständigen jungen Menschen.

FRIEDERIKE. Davon hat er meiner Tochter freilich nichts erzählt.


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 69-73.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Raub der Sabinerinnen
Der Raub der Sabinerinnen: Schwank in vier Akten