5. Auftritt.

[83] Vorige. Paula.


PAULA von links vorn. Rosa, hast du nicht – –? Ach, entschuldigen Sie, Herr Sterneck, Sie sind hier?

STERNECK mit Verbeugung. Ja, Fräulein, ich warte auf den Direktor.

PAULA verlegen. So, so, Rosa, hast du nicht meine Schlüssel gesehen?[83]

ROSA will sich im Zimmer umsehen.

PAULA Rosa ängstlich abwehrend. Nein, nein, hier können sie nicht sein, ich habe sie wohl in der Küche liegen lassen, oder in der Speisekammer – sieh einmal nach; wenn du sie dort nicht findest, muß ich sie im Keller gelassen haben, ich war vorhin unten. Sucht im Zimmer nach den Schlüsseln.

ROSA. Schön, Fräulein! Will durch die Mitte abgehen.

STERNECK leise zu Rosa. Rosa, da sind drei Mark. Aber kommen Sie mir nicht so bald wieder aus dem Keller herauf.

ROSA Sterneck und Paula verständnisinnig ansehend. Ach so! Fräulein, wenn ich die Schlüssel im Keller nicht finde, dann kann ich ja auch mal auf dem Boden nachsehen?

PAULA ungeduldig. Ja, ja, geh' nur!

ROSA im Abgehen, beiseite. Jetzt bleibe ich draußen und sehe durchs Schlüsselloch. So etwas habe ich zu gerne Ab.

PAULA suchend. Es ist mir unbegreiflich. –

STERNECK. Darf ich Ihnen vielleicht suchen helfen, Fräulein?

PAULA. Oh, ich danke Ihnen. Rosa wird sie wohl finden. Setzt sich links vorn. Wollen Sie nicht Platz nehmen?

STERNECK. Wenn Sie erlauben, Fräulein. – Setzt sich. Kleine Verlegenheitspause. Befangen. Ach, Fräulein, ich hätte eigentlich eine recht große Bitte an Sie![84]

PAULA. An mich?

STERNECK. Ich sehe da ein Spiel Karten in Ihrem Körbchen, verstehen Sie sich vielleicht zufällig auf die Kunst des Kartenlegens?

PAULA eifrig. Oh ja, das kann ich sehr gut.

STERNECK. Sehen Sie, Fräulein, ich bin sonst nicht abergläubisch; aber es gibt doch Stimmungen, in denen man gern eine Frage an das Schicksal richten möchte.

PAULA eifrig. Da haben Sie recht – solche Stimmungen gibt es.

STERNECK. Ich stehe nämlich augenblicklich vor einem Wendepunkt meines Lebens. Ich will einen Schritt tun, der mich entweder sehr glücklich oder – sehr unglücklich machen muß. – Da fehlt einem eben der Mut – aber wenn Sie mir einen kleinen Wink geben wollten –

PAULA sich unwissend stellend. Ich?

STERNECK. Nun ja, das heißt – ich meine Ihre Karten. Ach bitte, schlagen Sie mir mein Schicksalsbuch auf.

PAULA mischt die Karten. Nun, wenn Sie es durchaus wollen. – Bitte, heben Sie ab. So – Legt während des folgenden Dialogs die 32 Karten in vier Reihen zu acht Karten auf dem Tisch auf. Sie müssen sich aber auch etwas dabei denken.

STERNECK sieht Paula schwärmerisch ins Gesicht. Ach ja, Fraulein, ich denke mir etwas dabei.

PAULA zeigt auf die eben hingelegte Karte. Sehen Sie das hier, das sind Sie. Legt weiter.[85]

STERNECK. Der Coeur-König? Aha!

PAULA wie oben. Das sind Ihre Gedanken. Legt weiter.

STERNECK. Bitte, womit beschäftigen sich denn meine Gedanken?

PAULA wie oben. Natürlich mit nichts Ernstem. Auf zwei nebeneinanderliegende Karten zeigend. Flüchtige Neigung – baldige Trennung. Beendet das Auflegen der Karten.

STERNECK. Fräulein, ich bitte, das muß ein Irrtum sein.

PAULA. Also jetzt geben Sie acht. Mit dem Finger die auf dem Tisch liegenden Karten geläufig abzählend. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. – Ein alter Herr.

STERNECK. Das kann nur mein Papa sein.

PAULA weiterzählend. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. – Ist böse. – 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. – Hat aber nicht viel zu bedeuten.

STERNECK. Ach, das wäre mir lieb.

PAULA. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. – Ein wichtiger Brief.

STERNECK. Aha, das ist der Brief, den mein Freund Neumeister an meinen Vater geschrieben hat, um ihn mit mir zu versöhnen.

PAULA. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. – Ein unselbständiger junger Mann.

STERNECK. Das bin ich![86]

PAULA. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. – Eine junge Dame. – Eine kleine Ohnmacht.

STERNECK. Hat aber nicht viel zu bedeuten.

PAULA. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. – Die Dame ist ganz nahe. – 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. – Mit Ihnen geht eine Veränderung vor.

STERNECK schwärmerisch. Ach ja, das stimmt.

PAULA. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. – Die junge Dame – Stockt.

STERNECK. Nun, die junge Dame?

PAULA aufspringend. Das ist ja alles Unsinn!

STERNECK. Aber Fräulein, wie kann denn das Unsinn sein, jetzt, wo es gerade am schönsten wird. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. Was ist es mit der jungen Dame?

PAULA. Ach, das – das kann ich Ihnen nicht sagen. Läuft ab nach hinten links.

STERNECK will Paula zurückhalten. Aber Fräulein Paula. So, jetzt läuft sie fort und läßt mein Schicksal da liegen. Wenn ich nur wüßte, was diese Karte hier Auf eine Karte pochend. zu bedeuten hat.


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 83-87.
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