3. Auftritt.

[120] Paula. Rosa. Vorige.


PAULA mit einer Reisetasche in der Hand; zu Rosa im Eintreten durch die Mitte. Stelle den Korb dorthin zum Schrank; ich packe nachher. Zeigt auf den Schrank, der links vorn steht.

ROSA die einen großen Reisekorb und einen Lederkoffer trägt, stellt den Korb in die Nähe des Schranks, den Koffer vor den Alkoven und geht dann durch die Mitte ab.

PAULA bemerk erst jetzt die Herren. Ach, entschuldigen Sie, meine Herren, ich suche Papa.[120]

STRIESE. Der Herr Professor ist da im Zimmer, mein verehrtes Fräulein. Nach rechts zeigend.

PAULA. Sie warten wohl auch auf ihn? – Nun, ich werde einmal anklopfen. Geht zur Tür rechts und erhebt die Hand, um zu klopfen.

STERNECK rasch dazwischen. Ach bitte, Fräulein Paula, klopfen Sie nicht.

PAULA. Wie?

STERNECK. Bleiben Sie doch ein wenig hier – das heißt – ich meine – vielleicht stören Sie den Herrn Professor jetzt.

PAULA läßt die Hand sinken, verlegen. Ja, ja, das wäre möglich.

STRIESE. I bewahre. Der packt nur seine Sachen. Ich werde gleich einmal anklopfen.

PAULA UND STERNECK treten rechts und links an Striese heran, halten ihn von der Tür zurück und sagen gleichzeitig. Ach bitte, nein. Klopfen Sie nicht.

STRIESE begreift die Situation. Sieht beide schlau schmunzelnd an, dann beiseite. Ach so, jetzt begreife ich erst. Laut mit Humor. Nee, nee. Seien Sie ganz unbesorgt. Ich klopfe nicht. Das wäre ja geradezu eine Gemeinheit von mir, wenn ich jetzt klopfen wollte, wo Sie doch beide ausdrücklich dagegen sind.

STERNECK verlegen. Ich hätte Ihnen nämlich eine Mitteilung zu machen, liebes Fräulein.[121]

PAULA ebenfalls ein wenig verlegen. Ist es eine wichtige Mitteilung?

STERNECK warm. Ich glaube.

PAULA ebenfalls warm. Wahrhaftig?

STERNECK. Und dabei drängt die Zeit. Sieht nach der Uhr. In zwei Stunden geht der Zug – ich muß mit meinem Papa nach Berlin fahren mit dem Kurierzug um 11 Uhr 22.

PAULA. Und ich fahre mit Mama nach Halle – um 2 Uhr 40.

STERNECK traurig. Wer weiß, wann wir uns dann wieder sehen.

PAULA noch trauriger. Vielleicht nie.

STRIESE mit gespielter Unbefangenheit. Nun, meine Herrschaften, da wäre es doch das beste, wenn Sie sich gleich hier gegenseitig aussprechen täten?

STERNECK. Aber, lieber Direktor, das geht nicht. Was ich mit dem Fräulein zu sprechen habe, kann ich nur unter vier Augen sagen.

STRIESE. Dann gehe ich eben ganz einfach durch die Mitte ab und lasse Sie beide allein.

PAULA. Das nützt ja nichts. Wenn Sie uns auch allein lassen, der Papa kann doch jeden Augenblick hereinkommen.

STRIESE schelmisch drohend. Hören Sie, Fräulein, Sie denken aber auch an alles.[122]

PAULA zu Sterneck. Und schreiben können Sie es mir wohl nicht?

STERNECK eifrig. Nein, das ist ganz unmöglich.

STRIESE schelmisch. Na ja, es gibt eben gewisse Dinge, die man durchaus mündlich abmachen muß.

STERNECK eifrig zustimmend. Natürlich!

PAULA naiv. Da befinden Sie sich aber in einer schrecklichen Lage, Herr Sterneck. Es tut mir wirklich leid, daß ich Ihnen nicht helfen kann. Aber ich muß jetzt noch packen, Mit Betonung. da drinnen im Wohnzimmer – diese Tasche hier. Geht zur Tür und wendet sich dann noch einmal um. Es ist zu anstrengend, wenn man eine so große Tasche ganz allein vollpacken soll.

STERNECK zu Paula eilend. Fräulein, wenn ich Ihnen helfen dürfte.

PAULA. Das wäre mir freilich sehr angenehm. – Wissen Sie, man kann die einzelnen Sachen viel bequemer hineinlegen, wenn einem jemand die Tasche so offen hinhält. Hält Sterneck die weitgeöffnete Reisetasche hin.

STERNECK nimmt die Tasche und drückt sie an sein Herz. Ach, Fräulein, ich werde sie halten und von ganzem Herzen.

PAULA zu Striese. Sie entschuldigen uns wohl, Herr Striese, aber Sie sehen – die Tasche –

STERNECK eifrig. Ja, ja – die Tasche –[123]

STRIESE. Ih nu freilich, das kenne ich. So eine Tasche hat's in sich. Nun, seien Sie nur recht fleißig, es ist die höchste Zeit.

PAULA. Natürlich! Zu Sterneck. Kommen Sie. Ab links.

STERNECK. Ach ja. Ich komme. Paula nach.

STRIESE Paula und Sterneck nachsehend. Ja, ja, zu so was kommt man nur, so lange man noch jugendliche Liebhaber spielt. Na, ich glaube, zu der Rolle wird er keinen Souffleur brauchen.


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 120-124.
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