5. Auftritt.

[125] Gollwitz. Friederike. Marianne.


MARIANNE durch die Mitte, zurücksprechend. Komm nur, Mama, es ist niemand hier.

FRIEDERIKE eintretend. Das ist mir lieb.

GOLLWITZ. Meine Frau! Zieht sich geräuschlos in den Alkoven zurück.

FRIEDERIKE vorkommend. Ich möchte mit gewissen Leuten nicht zusammentreffen.

MARIANNE begütigend. Aber Mama.

FRIEDERIKE. Die Schlüssel der übrigen Zimmer habe ich dir gegeben, du wirst sie aufbewahren, bis ich von Halle zurückkomme – wenn ich überhaupt noch einmal zurückkomme. Um dieses Zimmer hier brauchst du dich nicht zu bekümmern, hier will ich nur mein Bild fortnehmen Nimmt eine große, eingerahmte Photographie von der Wand. – es gehört nicht mehr hierher.[125]

MARIANNE hat Gollwitz im Alkoven bemerkt, leise zu Friederike. Papa ist dort hinten im Alkoven.

FRIEDERIKE ohne sich stören zu lassen, von nun an mit absichtlicher Kälte. Gib das Bild dem Dienstmädchen. Es soll oben auf den Trockenboden gestellt werden – mit dem Gesicht gegen die Wand.

GOLLWITZ kommt zögernd nach vorn, schüchtern bittend. Aber Friederike –

FRIEDERIKE ignoriert Gollwitz vollständig, wendet ihm den Rücken zu und spricht zu Marianne, als ob sie nicht von Gollwitz, sondern von ihr unterbrochen worden wäre – determiniert. Mit dem Gesicht gegen die Wand, es bleibt dabei!

GOLLWITZ wie oben. Friederike, willst du denn auch abreisen?

FRIEDERIKE wie oben zu Marianne. Ich habe dir doch schon gesagt, daß mein Entschluß unerschütterlich feststeht. Ich reise mit Paula zu meiner Schwester nach Halle. Um zwei Uhr vierzig geht der Zug. Dort bin ich wenigstens sicher, nicht belogen und hintergangen zu werden.

MARIANNE. Sei doch nicht so hart, Mama. Siehst du, ich habe Leopold auch alles verziehen.

FRIEDERIKE höhnisch. So?

MARIANNE. Wir haben uns ausgesprochen und versöhnt. Dabei habe eingesehen, daß ich auch einen Teil der Schuld trage.

FRIEDERIKE. Wirklich? So weit hat er dich also schon? Das ist die rechte Höhe. Du armes Schäfchen. Uebrigens kann dein Mann sich wenigstens noch mit seiner Jugend entschuldigen, und er hat[126] dir auch nicht die Beleidigung angetan, hinter deinem Rücken Geheimnisse mit dem Dienstmädchen zu haben.

GOLLWITZ. Aber Friederike, ich wollte dir ja nur eine freudige Ueberraschung bereiten.

FRIEDERIKE ignoriert Gollwitz konsequent; zornig zu Marianne, als ob diese gesprochen hätte. Was? Eine freudige Ueberraschung? Blamiert hast du dich – und uns alle vor der ganzen Stadt. – Das verzeihe ich dir nie!

GOLLWITZ. Mit der Frau ist nicht zu reden. Geht rechts vorn und packt wütend Bücher aus dem Bibliothekschrank, der an der Wand rechts steht, in den Koffer, den er vorhin auf den Tisch rechts vorn gestellt hat.

FRIEDERIKE zu Marianne. Hilf mir jetzt den Korb hier packen. Oeffnet den Korb, der links vorn steht.

MARIANNE öffnet den Glasschrank, der links vorn an der Wand steht und reicht während des Folgenden Friederike verschiedene Gegenstände zum Einpacken zu, Silberzeug, feine Tischwäsche, Schmuckkästchen, Pappkartons usw.


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 125-127.
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