1017. Der Ritter vom Zabelstein.

[76] Mündlich.


Auf dem Zabelstein hauste ein Ritter, der war durch allerhand Unglücksfälle in große Noth und Armuth gekommen. Nun suchte er sich seine Grillen gemeinlich mit der Jagd zu vertreiben. Einmal verließ er in einem Anfalle von Verzweiflung gerade am heiligen Christabende die Burg, um draußen im Eichenforste sein Gemüth zu erheitern. Umsonst beschwor ihn sein edles Weib, doch nicht in diesen heiligen Stunden jagend den Wald zu durchstreifen. Gott, der die Vöglein in den Lüften[76] nähre, werde auch in ihrer Noth hilfreich sein. Der Ritter ließ sich nicht zurückhalten. In trübes Sinnen verloren zog er einsam durch den dämmernden Forst, manchen schrecklichen Fluch durch die Lippen knirschend. Wie er nun so in dem menschenleeren Walde allein war, sah er auf einmal einen stattlichen Jäger kommen, der auf ihn zuging und ihn anredete: »Ich weiß deine Lage; dir kann geholfen werden; du sollst alle deine Wünsche befriedigt sehen, wenn du gelobst, mir dasjenige nach zehen Jahren als eigen abfolgen zu lassen, was jetzt als ein Geheimniß auf deiner Burg verborgen ist.« Der Ritter war das zufrieden und unterschrieb einen Vertrag mit dem Teufel mit seinem eigenen Blute. Sogleich erhielt er so viel Goldstücklein, als er tragen konnte und eilte schwer beladen damit dem Zabelstein zu. Doch welcher Schrecken befiel ihn, als ihm seine Frau bedeutete, wie er sein eignes Kind noch im Mutterleibe dem Teufel überliefert habe. Von Schmerz und Gram aufgerieben gebar die Frau vor der Zeit und bezahlte das Leben eines Töchterleins mit ihrem eigenen. Der Ritter lebte von jener Zeit an in Saus und Braus und gedachte nicht mehr des höllischen Paktes. Als aber das holde Mägdlein zehn Jahre alt geworden, drang der Satan auf die Erfüllung des Vertrags. Da soll der Vater sein eigenes Kind in der Christnacht von der Burgmauer hinabgestürzt haben. In der darauffolgenden Christnacht erschien um Mitternacht ein langer Zug von Geistern und Todtengerippen auf der Burg, die schleppten in ihrer Mitte die zerschmetterte Leiche des dem Teufel überlieferten Kindes. Sie ergriffen den Ritter und zogen ihn mit fort zur Burgkapelle. Dort angelangt hielten sie ein feierliches Todtenamt am schwarz behängten Altare, während der Sarg mit der Leiche davor aufgestellt war. Darnach verließen sie wieder die Kapelle und begannen einen furchtbaren Todtentanz durch die Hallen des Schlosses. Der Ritter wurde in dem Wirbel mit fortgerissen, aber er hielt es nicht mehr aus, drängte sich auf die Zinne der Burg und stürzte sich fluchend in den Abgrund. Seitdem – so sagen die Leute – fährt in jeder Christnacht Graf Hugo von Zabelstein mit dem Todtenzuge aus dem Gemäuer der Burg durch den Eichenwald. Auch vernimmt man die Gesänge der Todten aus der Burgkapelle.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 76-77.
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