1022. Der Frickenhäuser See.

[80] A.C.Cammerer Naturwunder S. 53. Bechstein S. 300. Desselben deutsches Sagenb. S. 603.


Oestlich von dem Pfarrdorfe Frickenhausen, Landgerichts Mellrichstadt, liegt ein stilles und tiefes Wasser, fast rundum von hohen Bäumen umschattet, und von unergründlicher Tiefe, von steilen Bergen umgeben, der Frickenhäuser See. Sein Wasser ist hell, hat einen natürlichen Geschmack, und wird ungeachtet des geringen Abflusses doch nicht faul. Wunderbar sind die Sagen und Mährchen, welche die Bewohner jener Gegenden über diesen See zu erzählen wissen oder doch wußten. So behaupteten Einige, der See trage auf seiner Oberfläche durchaus keinen Körper, sondern verschlinge ihn urplötzlich. Neue Versuche haben freilich gerade das Gegentheil dargethan. Andere wollen riesenartige Fische in ihm gesehen, und von den Ahnen gehört haben, der See werde dereinst mit Gewalt ausbrechen, und ganz Franken überschwemmen; denn er sei eine Ader des Meeres. Deßhalb beten auch viele Bewohner der Gegend zu Gott, daß er sie diesen Ausbruch des Sees nicht möge erleben lassen, und in der Domkirche zu Würzburg würde, so sagen sie, alljährlich eine Messe gelesen, daß Gott die Ueberschwemmung Frankens durch den Frickenhäuser See, verhüte. Darum getraue man sich auch nicht, mit einem Kahn das räthselhafte und verrufene Wasser zu befahren. Fische sollen darin sich aufhalten, aber nur selten zu Gesicht zu bekommen sein. Im Jahre 1793 erblickte ein Jäger aus der Nachbarschaft einen Fisch, der an Größe einem ausgewachsenen Schweine nicht viel nachgab. Die Kunde von diesem Fisch verbreitete sich weit umher, und rief Leute in Menge herbei, um diesen großen Wunderfisch zu sehen und anzustaunen. Allein Niemand sah ihn mehr. Ein anderer Jäger schlief einst an den Ufern ein, und hatte die mit einer Kugel geladene Büchse neben sich liegen. Ein heftiges Geräusch im See erweckte ihn, und hinblickend gewahrte er zwei riesige Fischungeheuer, die sich oben an der Seefläche zeigten. Sogleich ergriff er sein[80] Gewehr, zielte und schoß nach einem der Riesenfische, worauf beide sogleich untertauchten. Aber einige Schuppen schwammen von dem Getroffenen auf dem Wasser, die der Jäger auffischte, und den Leuten zeigte; sie waren so groß, wie ein zinnerner Teller. – Oft trübt sich das Wasser dieses Sees, wenn auch in der ganzen Gegend kein Regen ist, und bei der anhaltendsten Dürre nimmt er nicht ab, obwohl man glaubt, daß die bei Sturmwetter sich trübende starke Quelle, die im Streugrunde bei Mittelstreu mit starkem Brausen hervorbricht, und gleich bei ihrem Ursprunge einige Mühlen treibt, dem unterirdischen Ausfluß des Sees ihr Wasser danke.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 80-81.
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