1056. Die Baderstiftung.

[110] Nach A. Haupt S. 205.


Es lebte ein reicher Mann zu Bamberg, der war jähzornigen und wilden Herzens. Er hatte eine einzige Tochter, die mußte ihn eines Tages, man weiß nicht wodurch, erzürnt haben, denn er stürzte wüthend[110] auf sie los und verfolgte sie lange durch die Stadt, bis in's Freie und bis in den nahen Wald, welcher die Flüchtige vor dem Wüthenden in Schutz nahm. Aber nun stand die Arme allein und verlassen in dem dunkeln Forste und wußte nicht, was sie in ihrem Jammer beginnen sollte. Traurig wandelte sie eine Zeit lang auf unbekannten Wegen immer tiefer und tiefer in den Wald, endlich wußte sie keinen Ausweg mehr, während die Sonne schon unterging und die Dämmerung einbrach. In solcher Bedrängniß warf sich das Mägdlein auf ihre Knie nieder und flehte zum himmlischen Vater um Errettung aus ihrer Noth. Darnach machte sie sich neugestärkt auf den Weg, als ihr auf einmal zwei Handwerksgesellen, ein Bäcker und ein Bader, begegneten, sie freundlich begrüßten und auf den nächsten Weg nach Bamberg geleiteten. Matt, wie ein gescheuchtes Reh, gelangte sie am späten Abende nach Bamberg. Des andern Morgens aber entsagte sie dieser Welt und nahm bei St. Clara den Schleier. Der beiden Gesellen aber, die sie aus dem Walde führten, gedachte sie dankbar durch eine Stiftung für kranke Bäcker- und Badergesellen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 110-111.
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