1086. Das Moosmütterlein.

[133] Mündlich.


Es war einmal ein armes Kind, das hatte keinen Vater mehr, und die Mutter lag krank an einem Fieber darnieder. Sie litten beide große Noth und wußten nicht mehr, wie sie noch länger ihr Leben fortbringen sollten. Eines Morgens in aller Frühe ging das Mägdlein hinauf in den Wald am Hengstberge, Erdbeeren zu suchen und Haselnüsse zu brocken. Wie sie nun emsig suchte, und gar manche Thränen unter die Beeren im Krüglein fallen ließ, sah sie auf einmal ein Weiblein vor sich stehen, das war ganz mit goldnem Moose bekleidet. Das Mütterchen bat um einige Nüsse und Erdbeeren für sich. Bereitwillig theilte die Kleine von ihrem Vorrathe mit, worauf das Weiblein vergnügt davon aß und alsdann weiter trippelte. Auch das Mägdlein machte sich mit ihrem Krüglein auf den Weg. Als sie nach Hause kam, schüttete sie die Beeren und Nüsse aus dem Krüglein auf den Tisch. Aber o Wunder! Die Beeren waren alle von Gold und die Nüsse hatten alle Kernlein von Gold. Nun war den guten Leuten auf einmal aus der Noth geholfen.

Das Moosweiblein läßt sich heutzutage nicht mehr sehen, denn es konnte nur auf Baumstumpfen sitzen, welche durch die Axt mit drei Kreuzen bezeichnet waren. Diese vormals übliche Bezeichnung haben aber die Leute längst unterlassen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 133-134.
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