1089. Das Zigeunergrab bei Weißenstadt.

[136] Von J.V.W.Seybold.


In der Winternächte Grauen,

Wenn die Flocken niederfallen,

Sieht man Kinder, Männer, Frauen

Dort hinan den Hügel wallen.


Aermliche Gewänder fliegen

Um die magern, schlanken Leiber

Und den nackten Säugling wiegen

Tiefbesorgt die braunen Weiber.


Trauernd lassen sie sich nieder

Um ein schnell geschürtes Feuer.

Es ertönen Klagelieder;

Melancholisch klingt die Leyer.


Färbt das Morgenlicht die Matten,

Dann wird ringsum tiefes Schweigen.

In die Hügel sieht als Schatten

Man darauf die Wesen steigen.


In dem stillen Löstengrunde

Hat man diese Schaar erschlagen

Und dann in der Abendstunde

Auf die Höhe dort getragen.


Einmal jährlich steigen nieder

Auf den Schreckensplatz die Todten –

Und dann geht's zur Höhe wieder

In den ungeweih'ten Boden.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 136.
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