1094. Der Wettermacher.

[139] Mündlich.


Bei Waidhaus trieben Kinder ihr Vieh auf der Hutweide. Da kam ein Mann des Weges und unterhielt sich mit ihnen und erzählte ihnen Mancherlei. Die Kinder hörten aufmerksam zu; wenn sich aber ein Stück Vieh in's Feld oder auf anstoßende Wiesen verlief, so liefen wohl etliche hin, es herauszutreiben. Da nahm der Mann einen Schnurrer aus der Tasche, und wenn er diesen sich drehen ließ, so drehte sich sogleich das Vieh um, und lief wieder zu der Heerde, eh' noch der Hirt es eingeholt hatte. Die Knaben bewunderten die Kunst des Mannes, die er ihnen wiederholt zeigte und zu lehren versprach. Er sagte ihnen auch, daß er ein Gewitter machen könne.

Als das die Hirten nicht glauben wollten, ließ er plötzlich dunkle Wolken am klaren Himmel heraufziehen, schon fing es in der Ferne zu donnern und zu blitzen an, und das Gewitter kam immer näher, der Himmel wurde finster, und die Blitze zuckten auf den Boden. Da befiel die Knaben eine unbeschreibliche Angst, sie fielen andächtig auf ihre Knie und beteten, in demselben Augenblick aber schlug der Blitz in einen nahestehenden Baum und zerschmetterte ihn. Da wo der fremde Mann gestanden hatte, stieg ein ungeheurer Schwefeldampf auf. Die Hirten trieben[139] eilig ihr Vieh nach Hause, aber auf jener Hut ist an der Stelle, wo der Mann gestanden, noch heute ein Riß in der Erde sichtbar, von dem Niemand weiß, wie tief er ist.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 139-140.
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