1125. Der hölzerne Esel zu Berching.

[159] Mündlich.


In Berching an der Sulz war es ehedem Sitte, daß ein hölzerner Esel, auf welchem ein Mann ritt, der den Heiland vorstellen sollte, am Frohnleichnamstage in feierlichem Zuge durch das Städtchen gezogen wurde zur Erinnerung des Einzuges Jesu in Jerusalem. In späterer Zeit stund dieser Esel lange auf dem Boden des Rathhauses, ohne benützt zu werden. Da fiel es einmal einem Schelme ein, den Esel ans Giebelfenster zu ziehen, und den Kopf auf die Gasse herausschauen zu lassen.

Der Herr Stadtschreiber, der um eine Stiege tiefer im selben Gebäude wohnte, sah eben behaglich zum Fenster hinaus, als die vorüberziehende Schuljugend den Eselskopf gewahr wurde, und in jubelndes Geschrei darüber ausbrach, daß der Esel zum Fenster herausschaue. Der gute Mann, der nicht wußte, was ober ihm vorgegangen, bezog natürlich das Schreien der Schuljugend auf sich, und gerieth darüber höchlich in Aerger, bis er von dem wahren Sachverhältnisse unterrichtet und besänftigt ward. Seitdem aber ist der Esel verschwunden.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 159-160.
Lizenz:
Kategorien: