1126. Die Sage von der Steinsäule bei Kneiting.

[160] Mündlich u. Notiz von Ad. Müller.


Unfern des Kneitinger Brückchens, an der Stelle, wo die Straße nach Nürnberg, eh man ihr die jetzige Richtung gab, eine steile Höhe zu erklimmen begann, war noch zu Anfang des laufenden Jahrhunderts eine steinerne Martersäule zu sehen, welche auf der Vorderseite das Bild des Gekreuzigten zeigte, zu dessen Füßen eine Schaar Nonnen kniete, während eine gegenüber eingehauene Inschrift kund gab, daß Anno 1368 am Vorabende Sancti Valentini drei Frauen aus dem Kloster Seligenporten, so gen Regensburg fuhren, hier im Gießbache ertrunken seien. Geraume Zeit später, nämlich im Jahre 1525, geschah es, daß die Dominikanerinnen auf dem benachbarten Arlasberge den umwohnenden Landleuten großes[160] Aergerniß gaben, indem sie, die Priorin an der Spitze, ihren Gelübden untreu wurden und in die Welt entliefen. Dieser Vorfall blieb bis zur Stunde im Gedächtnisse des Volkes haften, und drängte die unglücklichen Seligenportner Nonnen so gänzlich in den Hintergrund, daß nach der Hand sogar das ihrem Andenken errichtete Mal auf das neuere Ereigniß bezogen wurde. Eine solche Verwechslung konnte sich die Sage um so strafloser erlauben, als die Aufschrift der Säule mit ihren gothisch geschnörkelten und überdies von der Verwitterung schon stark angefressenen Charakteren dem gemeinen Manne längst unverständlich geworden war und kaum noch von den Gelehrten mit Mühe entziffert werden konnte.

Der erwähnten Ueberlieferung zufolge trug es sich zu, daß der Prior der Dominikaner in Regensburg, Moritz Fürst, großes Gefallen fand an den kürzlich aufgekommenen Lehren über die Ehe und das Mönchthum, weshalb er je länger je lieber auf Mittel sann, der Kutte ledig zu werden und sich, nach dem unter seinen Standesgenossen einreißenden Beispiele, ein Weib zu nehmen. Er fand an der jungen und wohlgestalteten Priorin von Arlasberg, Käthchen Hinzenhauserin, ein seinen Wünschen zugängliches Wesen, und bald war zwischen beiden die nöthige Abrede getroffen. Beim Grauen eines heitern Maimorgens des Jahres 1525 ritt der Prior in weltlicher Kleidung, mit geschlitzter Hose und eine goldverbrämte Mütze auf dem geschorenen Haupte, gen Arlasberg hinaus. Sein getreuer Famulus, der Pater Hans Pockh, war mit den geraubten Klosterschätzen bereits nach Nürnberg vorangegangen. In Arlasberg harrte des Bräutigams reisefertig das holde Käthchen mit ihren Nonnen, welchen allen der Prior, als Beichtiger und Gewissensrath, die neue Lehre ein leuchtend zu machen gewußt hatte. Der Anweisung des Hirten folgend, waren die Schäflein nicht säumig gewesen, den Schrein ihrer Patronin, der heiligen Maria, zu leeren und die Kleinodien in Säcke und Kisten zu verpacken. So fuhr die Genossenschaft auf sogenannten Hobelwägen, wie sie dazumal üblich waren, nach Kneiting hinab, um dort die Nürnberger Straße zu gewinnen. Noch hatten sie aber nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ein mit Macht ausbrechendes Gewitter über das enge Thal einen Wolkenbruch ergoß. Die von den Bergwänden herabstürzenden Gewässer rissen die Wägen mit sich in den zum Strome anschwellenden Bach hinein und Alles, Roß und Mann, kam elendiglich um's Leben.

Zur Erinnerung an dieses offenbare Strafgericht Gottes habe man,[161] erzählt die Sage, jenen Stein gesetzt. Die Kirche auf dem Arlasberge aber führt seit dieser Begebenheit den Namen »zur verlassenen Mutter Gottes.«

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 160-162.
Lizenz:
Kategorien: