1171. Die drei Särge.

[193] Von Karl Behlen.


Zu Harburg auf der Veste da stehn in dunkler Gruft

Drei Särge nebeneinander, umhaucht von Moderduft.


Es zog eine Jungfrau blühend in's schöne Rießerland,

Da kam der Fürst gezogen und gab ihr seine Hand.


Ihr winkte vom blonden Haare gar schön der Myrthenkranz,

Der Bräut'gam tanzt im Saale mit ihr den Hochzeittanz.


Der Frühling kam gezogen, es blühte Berg und Thal,

Die Myrth' im blonden Haare noch schöner im Fürstensaal.


Es kam der heiße Sommer, da fand der Fürst den Tod;

Da nahm sie den Wittwenschleier, weint' ihre Aeuglein roth.
[193]

Dann rauschte der Herbst vorüber in schauerschneller Flucht;

Da reift ihr unterm Herzen der Liebe holde Frucht.


Und als der Winter gekommen daher mit kaltem Zug,

Der wob um Myrth' und Blüthe ein weißes Leichentuch.


Wohl blühte der Frühling wieder: da standen in dunkler Gruft

Drei Särge nebeneinander umhaucht von Moderduft.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 193-194.
Lizenz:
Kategorien: