1178. Das Feuer der Hexe.

[199] Bechstein's deutsches Sagenb. S. 722.


Eine Wittwe im Ries hatte einen Sohn, der war ein Einspänniger, der fuhr auf der Straße und ernährte damit seine alte Mutter; da geschah es, daß er von einem Herrn von Hohenstein gefangen und geschatzt wurde, und seine Mutter mußte ihn auslösen. Solches begab sich auch zum zweitenmal und die Mutter opferte all' ihr Hab und Gut, und löste den Sohn wieder aus. Da nun der Sohn zum drittenmale ergriffen und auf das Schloß geschleppt und in den Thurm geworfen worden, vermochte die arme alte Wittwe nicht noch einmal den Sohn zu lösen, denn sie war durch die[199] vorigen beiden Schatzungen ganz verarmt. Und obschon sie sich mit flehensten Bitten an den Ritter wandte, so schlug doch deren keine an; da sprach die Frau zu dem Herrn von Hohenstein: Ihr habt mich zu einer Bettlerin gemacht! Und nun wollt ihr mir meinen Sohn im Thurme verfaulen lassen! Aber ich schwöre euch, ehe noch mein Sohn verfault, sollt ihr verdorren! – Der Ritter lachte der thörichten Drohung, gab der Alten einen Fußtritt und ließ sie ziehen. Die Alte aber, welche eine Hexe war, machte daheim unter Zauberformeln ein Bildniß, das setzte sie in einen Hafen und rückte den zum Feuer. Am andern Morgen nach dem Frühmahl stand der Herr von Hohenstein bei einigen Edelleuten, die ihn besuchten, auf der Brücke und unterhielt sich mit ihnen; plötzlich aber begann er aufzuschreien: au! au! Das brennt, das brennt! – und krümmte sich, und schrie: Feuer! Feuer! in meinem Eingeweid! – Hu – die alte Hexe verbrennt mich! – Sattelt, sattelt mein Pferd! – und ächzte und stöhnte – und warf sich auf das vorgeführte Pferd, sprengte nach Comburg in das Kloster, ließ sich mit den Sterbsakramenten versehen, und war am andern Tage am innern Brand Todes verblichen. Er liegt zu Comburg begraben im Gang vor dem alten Kapitelhaus. Soll der letzte Hohensteiner gewesen sein, und hätte sein Namensvetter auf dem Harz, der letzte Graf von Hohenstein, Lor und Klettenberg, nicht mit ihm getauscht, derselbe dessen Grabmal dem des biedern Ritters Götz von Berlichingen so ähnlich sieht.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 199-200.
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