1193. Die Geisterbeschwörung im Schlosse Werdenfels.

[210] Mündlich.


Zur Zeit, da das Geisterbeschwören und Goldsuchen noch im rechten Schwange, das Schloß Werdenfels aber nicht mehr bewohnt war, begaben sich vier Bauern von Garmisch eines Nachts in den Hofraum dieses Schlosses, um daselbst eine solche Beschwörung vorzunehmen. Der Anführer derselben war ehrenwerther Abdecker im Markte und renommirter Geisterseher. Als er nun in seinem Zauberbuche ziemlich weit gelesen hatte, erschienen zwei Jäger im Hofraume, nahten sich dem Zauberringe und fragten, was das Begehren der vier im Ringe befindlichen Männer sei. »Ihr sollt uns behülflich sein, den Schatz im Schlosse zu heben,« war die Antwort. Da trat der eine Jäger ganz nahe zum Kreise und antwortete: »Das kann leicht geschehen; aber der alte N. komme heraus aus dem Kreise und gehe mit mir, denn der ist schon zum voraus mein, weil er in der Pfarrkirche hat dreimal das Allerheiligste stehlen wollen!« Da las wohl der Abdecker gerne wieder rückwärts so lange, bis die zwei Jäger verschwunden waren; ans Schatzheben dachte weiter von den vier Helden keiner mehr. Auf derselbigen Burg sollen oft zahlreiche Ritter Nachts um zwölf Uhr bei festlichem Gelage versammelt sein.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 210-211.
Lizenz:
Kategorien: