1237. Die Halletau.

[243] Mündlich und Nagels (Pfarrers zu Münchsmünster) Beschreibung des Schelmenlandels der Roßdiebe und der Halletau. (Manuscr.)


Wo die Halletau zu suchen, geht aus einem alten Sprichwort hervor:


Wolnzach, Nandelstadt und Au

Sind die größten Städt' in der Halletau.


Freilich wollen Einige auch Mainburg hinzurechnen, das jedenfalls im Besitze des Hauptschlüssels zur Halletau gewesen sein soll, und von dem man wissen will, daß es früher auch sein Kontingent zu den Halletauerdieben gestellt hat.

Die Gränzen der Halletau möchten daher nicht so genau zu bestimmen sein, obwohl hierüber schon Viel gesprochen und gestritten worden, denn Niemand will ein Halletauer sein, selbst wenn er mitten in diesem Schelmenlande geboren und aufgewachsen ist.[243]

Die Ursache hievon liegt am Tage. Denn, wenn auch die jetzigen Bewohner der Halletau ehrenfeste und biedere Leute sind, so standen doch ihre Vorfahren in sehr zweideutigem Rufe, und legte man ihnen vornämlich die Neigung zum Pferdestehlen zur Last. Dazu gab Gelegenheit der Salzhandel, welcher schon von Alters her auf der Straße über Freising, Au und Mainburg ging, dann die vielen Waldungen und Bergrücken des Ländchens und die großen Pferdemärkte zu Moosburg. Es ist bekannt, welches Wallfahrtslied den Halletauern bei ihren Bittgängen zum heiligen Kastulus in Moosburg in den Mund gelegt wird:


»O heiliger Sanct Kastulus und unsere liebe Frau!

Ihr kennt uns ja schon lange und unsere Halletau.

Fertn (vor. Jahr) sind uns neune g'west, heuer aber drei

Sechse sind im Schimmelstehl'n, Maria steh' uns bei!«


Wie es nun den Halletauern in Folge dieser ihrer unstatthaften Neigung zu öfters ergangen, davon erzählt man sich verschiedene Geschichten.

So wurde ein Einödbauer sammt seinen Söhnen und drei Enkeln zu Moosburg wegen Roßdiebereien nebeneinander an den Galgen geknüpft. Zuerst kamen die Enkel und Söhne daran und zuletzt mußte der Ahnl mit seinem langen schneeweißen Spitzbarte baumeln.

Ein alter Jäger hatte das gleiche Schicksal, da er Fohlenfleisch statt Hirschfleisch verkaufte.

Der Pfarrer von Kirchdorf an der Amper jagte auf einem Berge bei Hirschbach, wo man ein Kruzifix als die Gränze der Halletau gegen Süden bezeichnet, einem Diebe sein Reitpferd ab.

Einmal wurden Halletauerdiebe, die einen Schimmel gestohlen hatten, verfolgt, so, daß sie sich genöthigt sahen, das Pferd in einem am Wege gelegenen Kirchlein zu Larsbach einzustellen und das Weite zu suchen, mit dem Vorsatze, es des andern Tages wieder zu holen. Da aber die Diebe eingeholt und gefangen genommen wurden, mußte der Schimmel mehrere Tage in dem Kirchlein bleiben und verhungern. Der Meßner fand ihn todt an der Thüre liegen.

Auch in Seystorf wurde ein Pferd gestohlen, der Dieb aber erwischt, das Pferd dem Eigenthümer zurückgestellt, und der Zaun als corpus delicti zu Gerichtshanden genommen. Man zeigt ihn heute noch im Schlosse zu Au als ein Andenken der Halletauer Roßdiebe.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 243-244.
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