1254. Vom Gastabudl zu Wolfratshausen.

[254] Mündlich.


Der Gasteigpudel ist ein ziemlich harmloses Gespenst, von dessen Gebaren man sich nur wenig zu erzählen weiß, obwohl es noch immer in der Leute Mund ist.

Dieses Gespenst hält in der Geisterstunde Wache auf dem Gasteig (in der Volkssprache »Gasta«) bei Wolfratshausen, und begleitet die Wandrer, entweder voraus- oder hintendrein laufend, ohne ihnen Schaden zuzufügen. Sein Aussehen ist das eines schwarzen Pudels von mittlerer Größe und feurigen Augen; manche wollen auch eine lange feurige Kette nachschleifen gesehen haben.

Aus der Schlucht hervorkommend, welche zwischen dem Schloßberge und jener Anhöhe liegt, die sich die Münchner Landstraße hinanwindet,[254] zieht der Gastabudl über letzteren Berg und erscheint bei der Windung auf der Straße. –

Einmal gingen mehrere Wolfratshauser Bürger in später Nacht von Starnberg heim; es war stockfinster, sie nahmen daher in Dorfen (einem Dörflein oberhalb des Münchner Gasteigs vor Wolfratshausen) eine Laterne; wie sie auf den Gasteig kommen, sehen sie in einiger Entfernung vor sich einen schwarzen Körper in der Größe und Gestalt eines Hundes laufen. »Aha!« riefen Einige, »das ist der Gastabudl! den wollen wir jetzt erlösen;« also riefen sie die Gestalt mit dem bekannten Spruch an: »Alle guten Geister loben Gott den Herrn, sag' an, was ist dein Begehr'n?« – Das Ding lief, ohne Antwort zu geben, weiter; etliche der Bürger mit Stöcken hintendrein. Aber am Fuße des Berges angekommen, verschwindet das Gespenst in einem Hause; die Männer verfolgten es bis in das Haus hinein, da verwandelt sich der Pudel plötzlich in ein Schwein, das die Frau des Hauses als das ihrige anspricht.

Eine Hauptrolle spielt der Gastabudl in den Erlebnissen alter Floßknechte, die sich auf ihren Heimwegen von München verspätet, und so den Gasteig erst zu später Nachtszeit zu passiren hatten.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 254-255.
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