1275. Der Haunstein.

[272] Falkenstein, Buch der Kaisersagen, Burg- und Klostermährchen. S. 117.


Bei Laufen1 liegen auf hohem Berge die Trümmer einer Ritterveste, Haunstein genannt.

Zu einer gewissen Zeit des Jahres hört man auf dieser Burg ein fürchterliches Tosen und Ringen, als wenn zwei auf Leben oder Tod miteinander stritten. Dann wird es still und in der Mitternacht erscheinen zwei flammende Gestalten, wanken langsam durch das dunkle Thal und verschwinden plötzlich. Es sind die Geister zweier Brüder, welche auf Haunstein friedlich zusammen lebten. Sie liebten gleichzeitig eine edle Jungfrau, und dieß erweckte gegenseitig Feindschaft und Haß in ihrem Herzen. Sie wollten nun um den Besitz der Jungfrau das Schwert entscheiden lassen, begaben sich ins Thal der Burg, nachdem bestimmt war, daß sie dem Stärksten angehören sollte. Doch noch ehe der Kampf anhub, fielen die erhitzten Brüder, von blinder Wuth der Leidenschaft angefacht, sich einander an, und mordeten sich aufs Gräulichste.

Jahrhunderte schon rauscht in der alten Burg der Schwertkampf des Brüderpaares, und man sieht sie als Feuerflammen im nächtlichen Thale,[272] wo sie so lange kämpfen und als friedlose Geister erscheinen sollen, bis einst zwei Geschwister an der Stelle, welche den Brudermord bezeichnet, das Leben sich retten und damit ihren Geistern Erlösung und Ruhe bringen werden.

1

Nach Andern soll die Ruine »Haunstein« nicht weit von Amberg liegen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 272-273.
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