1276. Das Glöcklein der Antonikapelle zu Reisach.

[273] Mündlich und Volksbüchlein (v. Aurbacher) II., 110.


Es zog einmal ein frommer Pilgersmann des Weges von der Mutter des Herrn zu Oetting seiner Heimat zu. Wie er nun mitten im Walde ganz allein auf einsamem Pfade einher schreitet, rauscht es plötzlich im Gebüsche, und ein paar Räuber stürzen voll Ingrimms auf den arglosen Wandersmann. Schon sinkt er schwer getroffen unter den Streichen der Gottlosen zu Boden, da richtet er sein letztes innigstes Flehen zu der heiligen Mutter des Herrn und gelobt, ihr und dem heiligen Antoni zu Ehren ein Kirchlein an dieser Stätte zu bauen, wofern er nur mit dem Leben davon käme und noch einmal seine Lieben daheim wieder sehen könnt'. Sein Gebet wurde erhört. Die Räuber machten sich davon, der gute Pilgersmann aber fand sich auf einmal wunderbar gestärket, hob sich von hinnen und kam glücklich zu den Seinigen. Er hat aber sein Gelobtes treulich erfüllt, und ein Kirchlein zu Ehren des heiligen Anton sammt einem weithin schallenden Glöcklein errichtet. Die frommen Pilgrime, welche noch heute des Weges ziehen, verabsäumen nicht, das Glöcklein ertönen zu lassen, auf daß die Räuber und Bösen durch den Schall erschrecket, die Guten aber getröstet werden.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 273.
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