1303. Die Legende von den vierzehn Heiligen zu Frankenthal.

[292] J.H.Jäck Beschreibung des Wallfahrtsortes der vierzehn Heiligen in Frankenthal. Nürnberg 1826. J.A.Koch Hermanns des frommen Schäfers Erscheinungen zu Frankenthal. In vier Gesängen bearb. Coburg 1820.


Eines Abends trieb ein Schäfer, Hermann mit Namen, seine Heerde nach Haus. Da hörte er eine klagende Stimme von weitem und sah zu gleicher Zeit ein Kindlein einsam und verlassen auf einem Acker sitzen. Als er sich näherte, sah er das Kindlein von einem überirdischen Glanze umleuchtet, so daß es seine Augen kaum aushalten konnten. Das Kindlein lächelte ihm freundlich zu und verschwand. Nun trieb Hermann seine Heerde weiter; als er sich aber nach einer Weile umsah, gewahrte er die nämliche Erscheinung, nur daß jetzt auch noch zwei Kerzen neben dem Kindlein flammten. Hermann ging abermals darauf los, aber die Erscheinung verschwand auch diesesmal. Nun trieb der Schäfer nach Haus und erzählte das Geschehene seinen Aeltern und einem Priester des Orts. Der sagte dem Hirten, was er thun sollte, falls sich die Erscheinung noch einmal zeigen würde. Ein Jahr verfloß, da erschien das Kindlein abermals auf dem Felde, in himmlischem Glanze, ein rothes Kreuz auf der Brust. Diesmal war es nicht allein, sondern umgeben von vierzehn andern Knäblein, die alle roth und weiß gekleidet waren. Nun fragte Hermann nach Anweisung des Priesters im Namen der heiligen Dreifaltigkeit, was die Erscheinenden begehrten. Da bedeutete ihm das zuerst erschienene Knäblein, es sei das Christkindl mit den heiligen vierzehn Nothhelfern, und wolle hier im Land bei ihnen wohnen. Darnach schwebten die Kinder zum Himmel empor. Am nächsten Sonntag sah der Schäfer zwei brennende Kerzen vom Himmel auf jene Stelle niedersinken und dann wieder in die Höhe schweben. Auch eine Frau hatte diese Erscheinung. Nun erzählte Hermann seine Gesichte dem Abte von Langheim, da wurde eine Kapelle erbaut, die nachmals zur hochberühmten Wallfahrtskirche[292] des Frankenlandes geworden. Noch heutzutage besuchen alljährlich Tausende frommer Beter die geheiligte Stätte. Die Geschichte der Erscheinungen wird in das Jahr 1445 gesetzt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 292-293.
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