1317. Wie ein Hausgeist frei wird.

[303] Mündlich.


Es ist in Nürnberg Sitte, jährlich wenigstens einmal das ganze Haus von oben bis unten zu reinigen, »stöbern,« wie die Nürnberger sagen. Das sollte nun auch in einem Hause der Laufergasse geschehen, während der Herr und die Frau auf einer Reise abwesend waren. Vorher hatten sie der Magd den Auftrag gegeben, Alles fleißig zu stöbern bis auf eine Kammer unter der Stiege, die sollte verschlossen bleiben. Wie nun die Leute fort waren, plagte die Magd der Vorwitz, was denn wohl in der Kammer sein könnte, die sie nicht aufschließen sollte. Abends, da sie mit Stöbern fertig war, gedachte sie ihre Neugierde zu befriedigen.[303] An der Kammerthüre hing ein großes altes Schloß, auf welchem drei weiße Kreuze mit Oelfarbe gemalt waren. Die Magd probirte nun alle Schlüssel, keiner wollte passen; endlich fand sich noch ein ganz verrosteter, der die Thüre öffnete. Es war eine finstere Kammer voll Staub und Moder, so daß sich die Magd gar nicht hinein getraute. In der Mitte lag ein großer Pelz auf dem Boden, der fing an sich zu regen und zu rühren und wuchs immer größer und größer, also daß die Dirne vor Entsetzen davonlief. Da ertönte hinter ihr ein schallendes Gelächter, es fuhr der Zitternden in alle Glieder. Als die Herrschaft nach Hause kam, erzählte sie mit ängstlicher Stimme, was vorgefallen. Da wurde der Herr zornig und jagte die Dirne vom Dienst, denn sie hatte einem Geist die Freiheit gegeben, welcher vormals das Haus beunruhigt hatte, und durch einen Geistlichen in die Kammer gebannt worden war. Nun trieb der Geist auf's Neue sein Unwesen im Hause und gab seine Schadenfreude allenthalben durch schallendes Gelächter zu erkennen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 303-304.
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