1324. Die Spinnerin bei Marktbürgel.

[308] Die vor. Schr. S. 689.


Die Spinnerin, so nennt das Volk eine romantische Felsengruppe zwischen Westheim und Dachstetten nicht weit von Marktbergel in Mittelfranken gelegen. Einst ging vom nahen Weßach-Hof ein junges Mädchen mit ihrem Rocken im Arm nach Westheim spinnen; in der Spinnstube ging es lustig her, und sie blieb ungewöhnlich lange, trotz der Warnung ihrer Eltern, nicht über zehn Uhr auszubleiben – es war aber schon[308] zwischen elf und zwölf Uhr, als sie ihren Nachhauseweg antrat, und weil es ungewöhnlich finster war, hatte sie die Begleitung zweier junger Bursche angenommen. – Als nun die drei über die Felsen und Abgründe dahinschritten, wurde es so stockfinster, daß sie keinen Weg und Steg mehr sahen. Darüber begannen die beiden Bursche zu fluchen und zu lästern, und riefen den bösen Feind zu Hülfe, während das arme Mädchen ängstlich schrie und klagte. Der Teufel ließ gar nicht lange auf sich warten, er erschien, packte die Lästerer, drehte ihnen die Hälse um, und warf sie in die Schluchten hinab. Die arme Spinnerin aber war vor Schreck und Graus auf der Stelle des Todes, und stürzte ebenfalls in den Abgrund. Sie spukt heute noch dort; die Wanderer, welche zur Abendzeit des Weges kommen, führt sie irre. Zuweilen hören sie auch das wüthende Heer über sich vorüber ziehen. Noch in neuerer Zeit geschah dies einem jungen Mann, der seine Verwandten besuchen wollte; er mußte die ganze Nacht gehen und früh war er eben so weit von dem Ort entfernt, den er besuchen wollte, als des Abends vorher, ohnerachtet er den Weg genau kannte. Er klagte seinen Irrgang einem alten Jäger einige Tage darauf. Ja! sagte dieser: da hat die Spinnerin dich irre geführt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 308-309.
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