1335. Der Haßlocher Weinbergsmann.

[317] Mündlich.


Wer gerne guten Wein trinkt, der gehe nur nach Haßloch, eine Stunde von Wertheim, den Main abwärts; da wächst ein herrlicher Rother. Vor vielen Jahren war einmal ein treffliches Weinjahr; die Weinbergsleute konnten nicht genug Fässer auftreiben, um den reichlichen Segen unter zu bringen. Ein wohlhabender Bauer fuhr mit hellem Geklingel und übervollen Kufen nach Hause zurück; da trat ihm plötzlich ein armer Greis in den Weg und bat ihn um eine Traube; der Bauer aber schwang die Peitsche, drehte sich herum und fuhr ohne auf die Bitte des Armen zu hören, weiter. Da wünschte ihm der Greis, »er möge sammt seinen Trauben versinken.« Plötzlich spaltete sich die Erde und Bauer, Pferde und Kufen waren in einem Nu verschwunden; aber auch der Bettler war nicht mehr zu sehen. Jedes Jahr nun, wenn der Wein geräth, will der Weinbergsmann heraus und nach seinen Trauben sehen, knallt mit der Peitsche, und die Glöcklein der Pferde klingen so helle aus der Erde hervor, daß Jedem, der es hört, das Herz vor Freude schlägt. Je heller es klingt, um so besser, sagen die Landleute, werde das Weinjahr.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 317.
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