1336. Der Gattin Warnung.

[317] Von A. Kaufmann. – Spessartsage.


O, schließ ihn nicht, den düstern Bund,

Wie lockend auch das Gold dir lachet!

Es weilt in unerforschtem Grund

Der Alte, der den Zweig bewachet.


Jedweder kehrt mit wirrem Sinn,

Der nach der Eibe Zauber suchte;1

Nur Lug und Trug war sein Gewinn,

Dem selbst der Eigner endlich fluchte.


O, such nicht nach dem Eibenzweig,

Und gäb' er tausend Zauberkünste,

Du würdest doch nicht wahrhaft reich

Und schlügst nur an auf Rauch und Dünste.


Wohl zollten Tiefen dir den Sold,

Drin Silbers blaue Blüthe sprießet;

Wohl schlügst du an auf's rothe Gold,

Das in des Spessarts Adern fließet;


Wohl öffnete der düstre Schacht

Dir seiner Schlüfte Demantschätze,

Und manche Quelle sprang mit Macht,

Die deine Wiesengründe letze –


Doch an das Herz, o sprich, an's Herz,

Drin einzig wahre Schätze weben,

O, schlügest du auf solch ein Erz

Die Ruthe an, den Hort zu heben?


O, schließ ihn nicht, den düstern Bund,

Wie lockend auch das Gold dir lachet;

Laß ihn im unerforschten Grund,

Den Alten, der den Zweig bewachet!


Macht meine Liebe dich nicht reich?

Laß meine Liebe dich behüten,

Die Liebe sei der Zauberzweig,

Der wecke deines Herzens Blüthen!

1

»Vor den Eiben Kein Zauber kann bleiben.«

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 317-318.
Lizenz:
Kategorien: