1366. Theodelinde von Bayern.

[349] Von J.J.Sendtner.Paul. Diac. hist. Longob. III., 30 u. 35. Nach ihm alle Geschichtsschr. Gedichte von Platen, Heiler, v. Erhardt.


Zu Regensburg war Garibald zu schauen,

Der Erste, so geherrscht in Bayerns Gauen;

An Schönheit reich und himmlisch an Gemüth

Theodelinde ihm die Tochter blüht.


Viel könnt' ich euch von Brunehilden sagen,

Und was mit ihrem Sohn sich zugetragen,

Der seinen Königsthron zu schmücken schön

Zur Braut die Zierde Bayerlands erseh'n.
[349]

Die Zwietracht herrscht im Fürstenhaus der Franken;

Frech stürzet Feindschaft des Gewissens Schranken;

Geheim in Winkeln schleicht der Rache Blick,

Und schreckt das kindliche Vertrau'n zurück.


Drum, wie die Blume, wenn der Sturm sich zeiget,

Ihr zartes Haupt mit Zittern vor ihm neiget,

So bebt in ihres Herzens stillem Grund

Theodelinde vor dem Hochzeitbund.


Und Brunehildis, die in Gift der Schlangen

Getaucht das Herz, kann nicht zur Ruh' gelangen,

Eh' sie vernichtet feindlich dieses Band

Die Agilolfin hassend und ihr Land.


Und süß und selig unter Blütenbäumen

Kann jetzt Theodelinde wieder träumen,

Da gleich dem Vöglein, d'rauf der Jäger schon

Gar scharf gezielt, sie der Gefahr entfloh'n.


Hinwandelnd an der Donau heiterm Strande

Schaut sie daher bald aus entferntem Lande

Viel Helden zieh'n, die, stattlich all' zu Roß,

Hinwenden sich nach ihres Vaters Schloß.


Wie die Gestalten eilig auch verflogen,

Fühlt sich ihr Herz doch mächtig angezogen,

Und immer kehrt vor ihrem Geist zurück

Ein schöner Held mit hohem Sieges-Blick.


Wohl zu den Blumen schaut sie sinnig nieder,

Und sinnig schau'n nach ihr die Blumen wieder;

Es rauscht, wie sie versinkt in süßen Traum,

Wahrsagend über ihr ein Eichenbaum.


Was nie geahnt ihr Herz und nie empfunden,

Das hält den Sinn bezaubernd festgebunden;

Sie sucht nicht mehr am weiten Himmel fern,

Auf Erden lacht nun ihres Lebens Stern.
[350]

Und rufend naht die Amme ihr und findet

Die Liebliche, wie einen Kranz sie windet,

Verloren tief in ihrer Seele Traum

Und rauschend über ihr den Eichenbaum.


»Kommt, holdes Fräulein,« spricht sie, »schnell gegangen,

Der Herzog trägt nach euch gar sehr Verlangen,

Von fremden Helden eine große Zahl

Sah ich versammelt in dem Schimmersaal.


Aus fernem Lande sind, wie ich vernommen,

Sie mit gar froher Botschaft angekommen;

Es hat zu werben sie um eure Hand

Der Fürst der Longobarden hergesandt.«


Erröthend eilt, eh' sie ein Wort kann finden,

Theodelinde fort und hört verkünden

Ihr feierlich im Kreis der fremden Herrn

Des Longobarden freundliches Begehr'n.


»Geh, liebes Kind,« spricht drauf in holder Güte

Zu ihr der Vater, »bring den Wein und biete

Den fremden Gästen hier nach altem Brauch

Den Ehrentrunk, daß sie sich laben auch.«


Zu einem dann der Fremden hingekehret

Den tief der Jungfrau Engelbild verzehret,

Der Herzog spricht: »Nun schildert seine Braut,

Dem Herrn getreu, wie ihr sie hier geschaut.«


Umglänzt von holder Anmuth Purpurstrahle

Reicht jetzt dem Aeltesten die goldne Schaale

Theodelinde wirthlich dar und bebt,

Wie sie entgegen sie dem Jüngern hebt.


Er scheint aus Augen, die wie Sterne blinken,

Viel Süßeres, als Rebensaft zu trinken,

Und taucht ihr Bild begeistert in den Wein

Und schlürft es heiß in vollen Zügen ein.
[351]

Wie sie die Schaale will zurück empfangen,

Fährt er ihr leise über Stirn und Wangen;

Und wie sie zitternd faßt den goldnen Rand,

Drückt er verstohlen ihr die Schwanenhand.


Und tief bestürzt verneigt Theodelinde

Sich vor dem Vater und enteilt geschwinde

Erfüllt von Scham ihr zart jungfräulich Herz

Klagt sie der treuen Amme ihren Schmerz.


»Wohl möcht' ich gerne nach des Vaters Willen,«

Spricht sie, »die Schaale für den Fremden füllen,

Der hoch an Wuchs und edel von Gestalt

Wie Sankt Georg mir ritterlich gestrahlt.


Ob ich als Jungfrau, treu der ernsten Sitte,

Auch vor ihm weilte in des Saales Mitte,

Und hold als Fürstin wie's die Pflicht begehrt,

Wenn fremde Gäste wirthlich sie beehrt;


Doch wagt er's, gegen Anstand und Gebühren,

Mir Stirn und Wangen heimlich zu berühren,

Gleich einer niedern Magd, daß tief beschämt

Mein Herz sich nun ob solchem Frevel grämt.«


Und sanft entgegnet jene ihren Klagen:

»Glaubt, Fräulein! mir, wer solches durfte wagen,

Kann wahrlich nur der Bräutigam allein,

Der Autharit der Longobarden sein.«


Und sinnend, schweigend, schlingt Theodelinde

Um ihren Geist ein buntes Traumgewinde,

Als fortgezogen in die Berge weit

Die Fremden schon mit stattlichem Geleit.


Bald süß berauscht und wieder tief betrübet,

Umfaßt ihr Herz jetzt, was es innig liebet,

Und sieht dann wieder schwinden tief in Nacht,

Was ihr noch erst so freudenhell gelacht.
[352]

All ihre Lust und ihre stillen Klagen

Sieht man sie kindlich zu den Blumen tragen

Und sanft entschlummert unter'm Eichenbaum

Erscheint ihr des Geliebten Bild im Traum.


In froher Eile sprengt auf muth'gem Pferde

Heran er rüstig, daß erbebt die Erde,

Und ruft ihr zu vor seinen Edlen laut:

»Laß allen Zweifel, meine holde Braut!


Die Hand, die es gewagt, Dich zu berühren,

Kann riesenstark wohl auch die Streitaxt führen;

Wie ich sie schleudre in den Eichbaum hier,

Erkenne deinen Autharit in mir.«


Und wie der Amme mit verklärten Mienen

Sie still vertraut, was ihr im Traum erschienen,

Da kehrt zurück der Bojer edle Schaar,

Die heimgeleitend mit den Fremden war.


Die Streitart schwingend vor Theodelinden,

Dem Fräulein sie des Helden That verkünden,

Der in den Baum sie schleudernd fest und tief:

»Seht, Autharit führt solche Hiebe!« rief.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 349-353.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Knigge, Adolph Freiherr von

Über den Umgang mit Menschen

Über den Umgang mit Menschen

»Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: Ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen.« Adolph Freiherr von Knigge

276 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon