943. Der Mutter Fluch.

[18] Sage von Schloß Lauterecken. Nach einem Gedicht von Chr.Böhmer.


Ein Graf Heinrich hatte im Taumel jugendlicher Leidenschaft Fehde wider den eigenen Vater erhoben; allein das Glück verließ seine Waffen, er wurde besiegt und zur Strafe unnatürlichen Frevels in den tiefsten Kerker des Schlosses geworfen. Jahre lang büßte der Jüngling in unterirdischer Finsterniß und netzte mit Thränen der Reue sein Lager. Doch keine Reue, keine Bitte konnte das Herz des Vaters erweichen; der böse Feind hatte sich in der Person des Schloßvogts zwischen Vater und Sohn gestellt und erstickte mit giftigen Einreden jeden aufglimmenden Funken der Versöhnung. Vergeblich war auch alle Fürsprache der Mutter, dem Jammer des Hauses ein Ende zu machen; endlich wußte der Vogt einen Befehl zur Ermordung des jungen Grafen zu erschleichen, und so mit Einem Schlage allen Hoffnungen der Gräfin ein Ende zu machen. Ohne Aufschub ward die ruchlose That vollzogen; zu spät erhielt die Gräfin Kunde davon. Ihr Entsetzen war grenzenlos, verzweifelt fluchte sie dem Mörder, sein Haupt solle keine Ruhe auf Erden finden, und das Blut des Frevels solle nie von der Wand des Kerkers verschwinden. So geschah es auch und noch heute sind die Spuren des Blutes in einer Thurmkammer des Schlosses sichtbar.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 18.
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