947. Der Teufelsbrunnen.

[22] Mündlich.


Zu Einöd wohnte einmal ein reicher Bauer, dessen Hochmuth aber noch viel größer als sein Reichthum war. Der hatte eine wunderschöne Tochter, auf welche alle Bursche der Gegend ihre Augen richteten. Denn wenn ein Mägdlein nicht nur mit Geld und Gut, sondern überdieß mit Schönheit gezieret ist, da fehlt es nicht an Schützen, welche nach so einem Goldvöglein zielen. Allein die Jungfrau machte sich aus allen den Freiern wenig; denn sie hatte ihr Herz schon einem Jünglinge verschrieben, der zwar nur der Sohn eines armen, alten Schäfers, aber der bravste und wackerste Bursche in der Gegend war. Weil aber der Martin arm war, so wollte der Vater Maria's nichts von der Heirath wissen; ja von dem Augenblicke, da er die Wahl seiner Tochter inne worden, ließ er der Armen weiter keine Ruhe, zankte und schmähte sie, schalt und tobte so lange, bis sich der gute Martin entschloß, der Marie zu lieb das Dorf zu verlassen und in die Fremde zu wandern, und so allen Argwohn des Vaters niederzuschlagen. Er hoffte nämlich in der weiten Welt sein Glück machen zu können, und bald als ein wohlhabender und ansehnlicher Bursche vor dem mammonssüchtigen Alten erscheinen zu können. Also machte er sich auf, gelobte seiner Zukünftigen nochmals Liebe und Treue, wohingegen Marie den Schwur that, daß sie dem Teufel verfallen wollte, wo sie ihrem Martin nicht treu verbliebe. Darauf zog dieser getröstet fort in die Fremde und ließ sich beim kaiserlichen Heer anwerben. Für Marie kam eine traurige Zeit, sie weinte oft Tag und Nacht und hielt sich einsam und zurückgezogen von ihren Gespielinnen. So vergingen etliche Monate, da saß sie eines Tages an ihrem Fenster und arbeitete, als ein stattlicher Reiter – es war der Sohn des Burgvogtes von Zweibrücken – im Galopp die Straße herauf ritt, seine Augen nach dem Fenster Mariens gerichtet. Allein in demselben Augenblick, als ihn Maria erblickte, bäumte sich das Roß des Jünglings und warf diesen mit einem Satze auf den Boden herab. Alles lief zusammen, dem Unglücklichen beizustehen. Man trug ihn in's nächste Haus, es war dasjenige, wohin der Jüngling seinen Blick gerichtet hatte. Sogleich gebot der Vater Marien, den Verwundeten mit aller Sorgfalt zu pflegen, wozu es für die herzensgute Maid nicht einmal des Befehles[23] bedurfte. Mehrere Wochen lang mußte der Kranke im Hause zu Einöd verbleiben, Marie war ihm wie ein Engel zur Seite gestanden. Obwohl er nun vollkommen hergestellt war, glaubte er doch das Haus nicht mehr verlassen zu können, denn sein Herz hing an Marie und auch Marie fühlte sich zu dem Jünglinge hingezogen. Wohl mahnte sie der Schwur, welchen sie dem Martin gethan; aber leider trug die Macht des Augenblicks den Sieg über die Treue davon und Marie wurde die Verlobte des Zweibrückers. Wenige Tage darauf kam Martin vom kaiserlichen Heere zurück. Wie ein Donnerschlag traf ihn die Nachricht von dem, was vorgegangen. Außer sich vor Zorn verschwand er zur selben Stunde. Niemand wußte, wohin er den Weg genommen. Indessen gab es im Hause Mariens Vorbereitungen auf den Hochzeitstag. An diesem Tage selbst ging es natürlich recht lustig zu. Marie tanzte mit einer Ausgelassenheit, als wenn sie niemals um einen Martin Thränen vergossen hätte. Es war Mitternacht, als sich die Thüre öffnete und zwei fremde, nie gesehene Jägersbursche in den Saal eintraten. Man nahm sie, wie das bei Hochzeiten immer der Fall ist, gastfreundlich auf und lud sie zum Tanzen ein. Das ließ sich der Eine, ein Kerl mit blitzenden Augen und rabenschwarzem Haare nicht zweimal sagen, während der Andere, mehr sanften aber düsteren Aussehens, den stummen Zuschauer machte. Kaum hatte aber der Rabenschwarze die Braut erfaßt, als sich im ganzen Saale ein Schwefelgeruch verbreitete und alle Anwesende ein unwillkührliches Grauen vor dem Fremden befiel. Indessen flog der Jäger mit seiner Tänzerin immer rascher im Kreise herum, bis daß ihr der Athem ausging und der Angstschweiß in dicken Tropfen über die Stirne lief. Da scholl ein höllisches Gelächter im Saal. In demselben Augenblicke ergriff der rasende Tänzer auch den andern Jäger, riß diesen mit sammt der Braut noch einmal im Kreise herum und fuhr dann wie der Blitz mit Beiden zum Fenster hinaus, also daß die Scheiben klirrend auf die Straße flogen. Entsetzliches Wehe erfüllte die Luft, der Teufel hatte Marie sammt ihrem Martin – der sich ihm verschrieben – wirklich geholt. Des andern Morgens fand man drüben auf der Wiese am Berge ein Wasserloch von unergründlicher Tiefe, in dessen Umkreise alles Gras wie vom Feuer verzehrt. Da war der Teufel mit seiner Beute hineingefahren, daher das Loch den Namen Teufelsbrunnen davongetragen. Das Fenster, durch welches der Böse den Weg genommen, blieb vermauert bis auf den heutigen Tag.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 22-24.
Lizenz:
Kategorien: