951. Die Burgfrau auf Berwartstein.

[26] Mündlich.


Unweit der Straße von Bergzabern nach Dahn, ungefähr in der Mitte zwischen beiden Orten, erheben sich über dem gleichnamigen Dorfe die Ruinen der Ritterburg Berwartstein oder Bärbelstein, die durch ihre vielen Felsengemächer und in den Felsen gehauenen Gänge noch heute das Interesse der Reisenden erregt. Vormals ein festes Schloß konnte sie nur mit großen Streitkräften angegriffen werden. So gelang es denn auch einem lange Zeit davor lagernden Feinde, trotz der lebhaftesten Gegenwehr die Mauern der Burg zu ersteigen. Der Ritter fiel mit allen seinen Leuten in den Räumen des Schlosses, die sie Schritt für Schritt vertheidigten, und Niemand blieb von den Burgbewohnern übrig, als die Burgfrau, welche sich beim Eindringen der Feinde mit ihrem Säuglinge an einen sichern Ort verborgen hatte. Als aber die Siegtrunkenen Feuer anlegten und die Flammen die Unglückliche zu erreichen drohten, wollte sie sich lieber dem Tode als dem rauhen Kriegsvolke übergeben. Rasch stürzte sie zu dem Söller hin und sprang mit ihrem Kinde in das Flammenmeer, das sie augenblicklich verschlang. Alljährlich zeigt sie sich nun einmal auf den Trümmern ihres ehemaligen Schlosses. Dumpf rollt zur Nachtzeit ein Wagen durch das Dorf, aus dem am Burgberge die Burgfrau mit ihrem Kinde steigt. Hat sie die Burg erstiegen, so blickt sie mit Wehmuth auf den Gräuel der Verwüstung in ihrem ehemaligen Hause und stürzt sich mit ihrem Säuglinge voll Verzweiflung den Felsen hinab.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 26-27.
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