960. Der Schatz von Amorbach.

[34] Mündlich.


Als bei der Säcularisation die Benediktinerabtei aufgehoben und von den geistlichen Herren geräumt werden sollte, bestellte der Abt eine große Anzahl Träger und führte sie in ein Gewölbe, das ganz mit goldenen und silbernen Gefäßen, edlen Steinen und sonstigen Kostbarkeiten gefüllt war. Jeder von den Taglöhnern mußte sich die Augen verbinden lassen, dann bekam er seine Last auf die Schultern. Indem sich nun Einer an dem Andern halten mußte, wurde der ganze Zug von einem Mönche Treppen auf und nieder, durch weite Gänge und Hallen geleitet, bis er sich endlich in einem dunkeln, feuchten Gewölbe befand. Hier mußten die Träger ihre Lasten absetzen, worauf sich der ganze Zug wieder auf dieselbe Weise zurückbewegte. Als den Leuten darauf die Binden von den Augen genommen wurden, befanden sie sich zu großer Verwunderung in der[34] Kirche, aus welcher sie reichlich beschenkt mit der Weisung, zu schweigen, entlassen wurden. Wenige Tage darauf mußte der Abt sein Kloster übergeben. Man hatte unermeßliche Reichthümer zu finden gehofft und sah sich auffallend enttäuscht. Die Mönche aber, welche lange Zeit die Hoffnung hegten, wieder in die verlassenen Hallen einziehen zu können, starben bald nach einander, und so soll dann mit dem letzten das Geheimniß von dem Schatze begraben worden sein. Schon oftmals wurde demselben erfolglos nachgespürt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 34-35.
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