965. Der Klosterschatz im Breitenstein.

[38] Mündlich.


Zu Kriegszeiten flüchteten die Benediktiner des Klosters Neustadt am Main ihre kostbaren Kirchengefäße an verschiedene Orte, um sie vor den Feinden zu sichern. Sie ließen ein unterirdisches Gewölbe durch einen Maurer errichten, welcher zuvor zur größten Verschwiegenheit verpflichtet wurde, aber selbst den Eingang zu dem Gewölbe nicht wußte, weil er mit verbundenen Augen dorthin geführt, und nach vollendeter Arbeit wieder mit verbundenen Augen aus demselben zurückgebracht wurde. Ein treuer Klosterdiener entdeckte zwar einst in der Nähe des Backofens eine Kiste von Eisenblech eingemauert, worin lauter blanke Thaler enthalten waren, welchen Fund er dem Prälaten sogleich anzeigte, aber von den kostbaren heiligen Gefäßen, die noch vergraben sind, fand sich auch keine Spur vor. In früherer Zeit hielt man sich nämlich innerhalb der Klostermauern vor dem Feinde nicht sicher genug, und ließ daher die Kostbarkeiten auf einen Wagen laden, zur Nachtzeit in Begleitung von Geistlichen in den Klosterwald führen an jene Stelle, wo die Grenzen der Waldabtheilungen Hundshütte und Breitenstein aneinanderstoßen. Dort wurden dem Fuhrmanne die Augen verbunden, der Klosterschatz in einen nur den Geistlichen bekannten Ort vergraben, der Wagen aber auf einem anderen Wege nach Neustadt zurückgefahren. Dort liegt nun der Klosterschatz; Leute, die einen Erdspiegel haben, sehen ihn in einer Tiefe von 18 Fuß unter der Erde; alle Versuche, den Schatz zu heben, sind fruchtlos, denn nur ein Geistlicher ist im Stande, den Segen darüber zu sprechen. Oft schon bemerkten die Holzhauer beim Holzfällen einen großen viereckigen Stein, auf welchem sogar lateinische Buchstaben sichtbar waren, so daß zu vermuthen, unter diesem Steine liege der Schatz begraben, aber sobald sie mit Anderen davon redeten und um den Stein zu suchen wieder in den Wald gingen, konnten sie den Platz nicht wieder finden. In der Gegend wurde schon öfters bei hellem Tage Musik gehört und des Nachts erschien ein schwarzgekleideter Mönch mit einem Bund Schlüssel und einem Buche. Einst ging ein fremder Insektensammler durch den Wald, auf einmal bemerkte er einen glänzenden Gegenstand auf dem Boden; als er diesen aufhob, war es eine Goldborte, sowie man sie an den Meßgewändern[39] sieht, um ein Eichenstämmchen mehrmals herumgewickelt. Er nahm sie zu sich, zeigte sie mehreren in der Nähe wohnenden Förstern, welche sogleich Nachgrabungen an jenem Platze, wo sie gefunden ward, anstellen wollten, aber um keinen Preis mehr die Stelle finden konnten. Die Goldborte hat der Insektensammler in Würzburg verkauft; – aber zur Hebung des Kirchenschatzes ist die Zeit noch nicht gekommen.

Ganz in der Nähe des Breitensteins, nämlich nach Lichtenau im Spessart, wurde in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts aus Furcht vor dem Einfalle der Franzosen in Deutschland, der gesammte werthvolle Silberschmuck der Muttergottes-Pfarrkirche zu Aschaffenburg verborgen, – derselbe ist bis heute nicht wieder zurückgekommen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 38-40.
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