988. Der gesegnete Birnbaum.

[54] Mündlich.


In der Nähe des Ehehaltenhauses bei Würzburg steht in einem Garten ein alter Birnbaum, der in jedem Jahre zweimal Früchte trägt. Sobald die ersten Birnen ausgewachsen sind, prangen mitten im Sommer an allen Gipfeln der Zweige neue Blüten, und aus diesen kommen die zweiten Früchte, welche zur Zeit der Traubenlese reif werden, nur die Hälfte der Größe der ersten Früchte erreichen, aber denselben Geschmack haben. Noch vor wenig Jahren hat Erzähler dieses selbst den gesegneten Birnbaum beobachtet und von beiden Früchten genossen. Von diesem Baum nun erzählt man folgende Sage:

In einem unfruchtbaren Jahre lag einmal ein frommer Würzburger Fürst krank darnieder. Da verordnete ihm sein Leibarzt frischgepflückte Birnen. Allein auf der ganzen Markung konnte man keine Birnen auftreiben, da die Bäume dieses Jahr ohne Früchte waren. Endlich fand ein Gärtner zwei Birnen in seinem Garten. Er pflückte sie vom Baume und brachte sie dem kranken Bischof. Der genoß sie und genas sehr schnell. Nach seiner Genesung besuchte er den Gärtner, ließ sich den Birnbaum zeigen, und sprach seinen Segen darüber aus. Von dieser Zeit an trägt der gesegnete Baum in jedem Jahre zweimal Früchte.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 54-55.
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