Vorwort.

Mit wenigen Worten, ganz wider mein anfängliches Vorhaben, muß ich am Schlusse vorliegender Sammlung von den Freunden derselben Abschied nehmen, da ich in Folge schwerer halbjähriger Krankheit gezwungen bin, mich jeder angestrengteren Geistesthätigkeit zu entschlagen. Hierin liegt auch der Grund, warum so manche freundliche Zuschrift geehrter Mitarbeiter unbeantwortet blieb.


Wer einem Buche gerecht werden will, hat sich auf den Standpunkt des Verfassers zu stellen und die Verhältnisse, unter welchen das Werk entstanden ist, in's Auge zu fassen. In dieser Hinsicht erkläre ich wiederholt, daß die Herausgabe dieser Sammlung weit weniger das gelehrte als das gebildete größere Publikum im Auge hatte. Dabei hat sich einiger Widerstreit mit den Anforderungen der strengen Wissenschaft nicht vermeiden lassen. Etliche Freunde der Mythenforschung wollten es mir verargen, daß die Sammlung nicht ausschließlich für sie bestimmt worden. Ich will offen bekennen, was mich bewogen hat, das Buch so und nicht anders zu verfassen. Einmal schien es, aus früher dargelegten Gründen, ein nützliches und verdienstliches Unternehmen, das Interesse für die verachtete oder vergessene heimathliche Sage bei dem Publikum anzuregen. Das hätte wohl schwerlich durch eine Sammlung geschehen können, welche rein nach mythischen Principien geordnet nur die für deutsche Götterlehre interessanten Sagen beachtet hätte. Daß ich meinen Zweck einigermaßen erreichte, beweist sowohl die Verbreitung des Buches, als auch die im Verlauf der Herausgabe gesteigerte Mittheilung von Beiträgen, welche erkennen ließ, daß man jetzt für viele Dinge Augen hatte, die man früher als werthlos keiner Aufmerksamkeit würdigte. Wenn vorliegende Sammlung hinsichtlich der Vollständigkeit und Ergiebigkeit für Mythologie noch Vieles zu thun übrig läßt, so wird[5] man ihr doch, was auch von competenter Seite geschehen, das Verdienst zuerkennen, die öffentliche Theilnahme für ein brach gelegenes Feld neuerdings geweckt und ebendadurch auch der Bereicherung der Wissenschaft selbst vorgearbeitet zu haben. – Nächst diesem Motive der besonderen Anlage unseres Sagenbuches war noch ein anderes in den eigenthümlichen Verhältnissen einheimischen Verlags gegeben. Viele Verleger haben die Erfahrung für sich, daß literarische Unternehmungen, welche zunächst nur auf die Theilnahme eines bayrischen Leserkreises zu rechnen haben, etwas gewagt erscheinen, sobald sie umfangreicher sind und bedeutende Kosten der Herstellung in Anspruch nehmen. Ich war anfänglich Willens, die poetischen Sagen von den prosaischen auszuscheiden, und letztere, mehr im Sinne des wissenschaftlichen Bedürfnisses, getrennt erscheinen zu lassen; allein für eine so geordnete Sammlung war es schwierig, einen Verleger zu gewinnen. Indessen habe ich bereits im zweiten, noch mehr aber im dritten Bande die poetischen Mittheilungen beschränkt und der Sage in ihrer einfachsten Gestalt ein weiteres Feld eingeräumt. Zu den poetischen Mittheilungen kann man auch jene zu Erzählungen und Novellen erweiterten Sagen rechnen, wie solche zum Beispiel in der Zeitschrift »Europa« von K.W. Vogt, oder in den früheren Jahrgängen des »Morgenblatts« und der »Charitas« (»Bilhildis« v. Schubert 1840; »die goldnen Schneereiflein« von I.v. Braun 1847 u.a.) und sonst anzutreffen sind, oder wie erst neuerlich Jansen »Fränkische Sagen« zu bearbeiten begonnen hatte. Dagegen nahm ich ohne Anstand alle nicht mythischen Sagen auf, wenn dieselben ein historisches, namentlich culturgeschichtliches Interesse boten. Dahin gehören z.B. zahlreiche Hunnen-, Hussiten-, Schwedensagen. Der Mythenforscher mag sie entbehrlich finden, der Geschichtsforscher muß sie willkommen heißen, denn sie haben in ihrer Fortdauer und Ausdehnung über gewisse Gegenden die Kraft und Geltung urkundlicher Belege.


Diese Bemerkungen mögen dazu dienen, Urtheile über meine Sammlung, welche rein das gelehrte Interesse im Auge haben, zu berichtigen. So hatte sich namentlich J.W. Wolf, der verdienstvolle deutsche Mytholog, nach Ansicht der ersten Hefte, etwas ungehalten über mein Verfahren ausgesprochen. Ganz anders lautet sein Urtheil über die Fortsetzung der Sammlung im Vorworte zu den »Hessischen Sagen« (Göttingen und Leipzig 1853 S. VIII.), woselbst auch der allerhöchsten Veranlassung des Unternehmens in ziemenden Worten gedacht wird: »Es ist darum wohl Pflicht für einen jeden, der da[6] kann, an dem Aufbau des von beiden Grimm begonnenen Werkes rüstig mitzuwirken. Die Erkenntniß dieser Pflicht macht sich Bahn und es ist eine herzerfreuende Wahrnehmung, daß selbst zwei deutsche Könige es sich angelegen sein ließen, in ihren Staaten den Arbeitern an dem Werke hülfreich und schützend unter die Arme zu greifen; der König von Preußen, dessen Regierung auch M. Haupts Zeitschrift für deutsches Alterthum großmüthig unterstützte, und der König von Bayern, der zur Herausgabe des Bayerischen Sagenbuches die Hand bot.« In gleicher Weise haben sich schon früher der Recensent meiner Sammlung in der Allgem. Zeit., sowie W. Menzel im Literaturblatte ausgesprochen. Ich halte mich verpflichtet, auf so competente Stimmen hinzuweisen, weil sie in den Ausdruck des Dankes einstimmen, welchen ich dem erhabenen Förderer meines Strebens schuldig bin. Erlange ich, so Gott will, die Gabe der Gesundheit wieder, so sollen diesen Studien vermehrte Kräfte und reifere Einsicht gewidmet werden.


Es erübrigt mir, am Schlusse meines Werkes noch einmal jenen werthen Freunden und Mitarbeitern herzlichen Dank zu sagen, welche mich durch ihre gütigen Mittheilungen so vielfach unterstützt und gefördert haben. Die numernweise Verzeichnung der Beiträge im zweiten Bande hat einigen Anstoß gegeben, weil ein und dieselben Sagen oft von zwei oder drei Seiten mitgetheilt waren. Es folgen daher einfach die Namen der Herren, von welchen ich für den dritten Band prosaische Beiträge erhalten habe. Beck in München, Blaul in Frankenthal, K. Böhaimb in Hüting bei Neuburg, Dellinger in Weßling (Oberb.), J. Englert in Würzburg, Gärtner in Iggelheim (Pfalz), v. Gäßler in Moosburg, Gmelch in Eichstädt, Goßmann in München, Hertel in München, A. Kaufmann in Heubach, Kraus in Pflochsbach (Unterfr.), Frhr. Lochner von Hüttenbach in Lintach bei Amberg, Marchinger in Kaufbeuern, G.N. Marschall in Aub, Martin in München, Adalb. Müller in Regensburg, P. Nickl in Eichstädt, A. Pangkofer in München, F. Graf Pocci in München (Mittheilungen zum Theil aus L. Schwanthalers Nachlaß), J.B. Prechtl in Unterammergau, K. Rehlen in Nürnberg, I. Ruttor in Würzburg, B. Strauch (Dr. Schrauth) in Neumarkt, F. Schmid in Memmingen, Seybold in Thierstein, Frhr. v. Sichartshoff auf Hofeck bei Hof, I.B. Tafratshofer in Regensburg,[7] K. Ulmer in Ansbach, H. Weininger in Regensburg, L. Zapf in Münchberg, Zöllner in Aub, B. Zöpf in Oberdorfen (Oberb.).


Diejenigen Freunde der vaterländischen Sagenforschung, welche mir noch fernere Beiträge (entweder für eine zweite Auflage der Sammlung oder einen Ergänzungsband) mitzutheilen gedenken, ersuche ich bei der Unstetigkeit meines Aufenthaltes ihre Zuschriften durch Buchhändlergelegenheit oder frankirt an die Verlagshandlung des Sagenbuches gelangen zu lassen.


Wildbad Gastein, den 30. August 1853.


Dr. A. Schöppner,

Professor zu München.[8]

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 1-2,5-9.
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