152. Eppelins Roß.

[157] G.v. Heeringen, Franken S. 126.


Eine schöne, adelig gekleidete Frau mit drei Knaben, die sie umsprangen, und einem Mägdlein, welches sie an der Hand führte, kam den Burgpfad herab und setzte sich auf die Bank vor der Sachsenmühle. Aber so schön sie war, tiefer Kummer wohnte in ihrem Antlitz und Thränen rieselten, wie sie da saß, über ihre Wangen. »Springt nur,« sagte sie zu den Knaben, »ihr seid doch arme Waisen. Euer Vater wird nimmer zurückkehren aus der Haft, denn den Tod hat ihm die Reichsstadt geschworen. Ach, vielleicht lebt er schon nicht mehr, denn sie machen gar kurzen Prozeß da drinnen gegen gefangene Ritter.« Und kaum hatte sie das Wort gesprochen, als aus dem Dickicht ein Mann hervorbrach, athemlos und mit verstörten Zügen. Sein eilender Gang war nach der Mühle gerichtet, an deren kleines Fenster er heftig klopfte. »Brod!« rief er der Müllerin[157] entgegen, welche erschrocken heraussah, »Brod und Wein! und Linnen zum Verband! Geschwind, Weib! eilet euch, es ist kein Augenblick zu verlieren.« Da schrie die Burgfrau von Gailenreuth laut auf und stürzte auf den Mann zu, umfing ihn mit ihren Armen. »Eppelin! Eppelin!« war der einzige Laut, den sie hervorbringen konnte. Und die Knaben eilten herbei und sprangen laut jubelnd an dem Vater empor und das zarte Mägdlein schmiegte sich an seine Knie. Er aber starrte Alle an und drängte sie zurück. Das Brod und den Weinschoppen, welches beides die Müllerin aus dem Fenster hielt, riß er an sich und ein weißes, feines Tüchlein, womit die Burgfrau ihre Thränen getrocknet hatte, und ihren Schleier noch dazu, und rannte damit in das Dickicht zurück. Aber Frau Hedwig, die den Gatten nur zu wohl erkannt hatte, folgte mit ihren Kindern jählings nach. Und da wo das Gebüsch sich nach dem Wege öffnete, hart am Rande des Waldes, sahen sie den Ritter zu einem Gegenstand hineilen, der am Boden lag. Es war ein Roß. Er warf sich neben ihm auf die Knie nieder, benetzte seine mattschnaubenden Nüstern mit Wein und steckte ihm Brod, das gleichfalls damit befeuchtet war, zwischen die Zähne. Dann zerriß er den Schleier und das Tuch, tauchte sie in den nahen Fluß und schlang sie um die blutenden Beine des Gaules, während er ihm zuweilen die Seiten und den Hals klopfte. Staunend sahen solches Frau Hedwig und ihre Kinder mit an. Sie erkannten jetzt wohl das braune Streitroß des Gatten, des Vaters; aber fast war es schwer zu erkennen, Blut und Schaum bedeckte es und ohnmächtig streckte es seine starken und schönen Glieder. »Eppelin! Eppelin!« rief jetzt Frau Hedwig noch einmal, »du siehst dein Weib und deine Kinder nicht vor dem Rosse und hast uns zurückgestoßen seinetwegen. Verwundet ist es, wie es scheint, es gibt ja der Rosse mehr, sollte man glauben.« Da wandte sich Eppelin um und umarmte sein Weib. »Nur keines mehr wie dieses,« erwiederte er auf ihren liebenden Vorwurf. »Weib! Kinder! geht hin, liebkoset das Roß in seinen letzten Zügen, denn ihm verdankt ihr, daß ihr mich wieder sehet. Ueber den Burggraben der Nürnberger Veste hat es mich getragen.« Und sie thaten, wie er gebot. Mit zarten Händen streichelten sie das treue Thier und thaten ihm wohl und suchten sein fliehendes Leben zu halten, aber der Sprung war zu gewaltig gewesen, und hatte seine Sehnen zerrissen. Nur bis hierher noch reichte seine Kraft, den Herrn im flüchtigen Laufe zu tragen, jetzt war sie erschöpft. Noch einmal wieherte das Roß aus tiefer Lunge auf, noch einmal wandte es[158] den Kopf nach seinem Herrn und wieder von ihm ab, dann brach es im Todeskampfe. Eppelin von Gailingen ließ an der Stelle, wo das treue Thier starb, einen Stein errichten.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 157-159.
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