156. Die Sage von den goldsuchenden Venedigern und Wahlen im Fichtelgebirg.

[160] Von L. Zapf. – Nach Brusch, Groß, und Pertsch die Ausf. Beschr. des Fichtelgebirges. Leipzig 1716. Goldfuß u. Bischof Beschr. d. Fichtelgebirges I., 298 ff. J.V.v. Baumer im Archiv f.G.u.A.v. Oberfr. II., 163. M. Schottky Bilder d. südd. Alpenwelt S. 241.


Es ist eine der schönsten Sagen des Fichtelgebirges, die alte Kunde von den geheimnißvollen Fremdlingen, die sich einst in seinen Wildnissen herumtrieben. Sie ließen sich nur zuweilen in den Walddörfern blicken,[160] als Mäusefallenhändler oder in Köhlertracht, und brachten die meiste Zeit im tiefen Forste zu, in Höhlen und an den Brunnen und Bächen. Da gruben sie nach edlen Metallen und suchten Goldkörner, welche sie wuschen und schmolzen. Oft fand das Volk, welches eine furchtsame Scheu vor ihrem Wesen und Treiben hatte, an heimlichen Plätzen verlassene, niedergebrannte Feuer, und daneben Spaten, Pfannen und Meisel oder gar eines ihrer Büchlein, in denen sie die goldreichen Stellen und Punkte des Gebirges verzeichnet hatten. Auch hörte man wohl zu Zeiten ihr dumpfes Pochen und Schlagen.

Der alte Pachelbel widmet in seiner »Beschreibung des Fichtelberges« (1716) diesen seltsamen Männern und ihrem geheimen Thun einen eigenen Theil, »worinnen eigentlich dasjenige enthalten, was die Ausländer, nemlich Wallonen, Venetianer, Mailänder, Modeneser, ingleichen Brabander und Flandrer in ihren theils verlornen und hernach gefundenen, theils aber ihnen abgenommenen Verzeichnüßen der fündigen Oerter auf, an und um den Fichtelberg; wie auch in Ober- und Nieder-Sachsen, am Hartz, in Böhmen, Bayern, Pfaltz und Voigtland etc. bemercket und beschrieben haben, insonderheit die Verkundschafftung der besagten Oerter des Venedigers Giovanni Carnero, Johann Schottens, des Gratiani Grundelli eines Venetianers, der sich achtzehn gantzer Jahre umb den Fichtelberg aufgehalten, und sein Verzeichnüß 1531 am Dienstag nach Galli aufgesetzet; item des Sebastian Verso eines Venedigers, wie auch drei anderer Unbenannter etc.«

Unter andern finden sich nun darin folgende Stellen, welche am besten geeignet sind, das mystische Wesen dieser Sage darzuthun, welche Ueberlieferung und Aberglauben in einen eigenthümlichen, romantischen Schleier hüllen.

»Gestalt und Farben der Goldkörner, wie sie Sebastian Verso in seinem Wahlenbüchlein beschrieben. 1) Etliche Goldkörner sind roth, wie rostig Eisen; 2) etliche wie Granaten, dunkel, durchsichtig; 3) etliche kuglicht rund; 4) etliche wie Erbsen; 5) etliche wie Bohnen; 6) etliche sehen wie Pech aus, sind auch gut; 7) etliche zerspringen wie Glas im Zerschlagen, sind gut; 8) etliche sehen rauh, grau und bleifarbig aus, sind mild und mürbe, sind auch gut; 9) etliche graulicht wie Mohnfarb, oder 10) blau inwendig mit einem frischen Glanz; 11) etliche lassen sich fletschen und plezen wie Blei, diese notabene sind die besten; 12) Gold ist auch in weißen Kieselsteinen, die weiße Aederlein haben etc.«[161]

»Vom Fichtelsee schreibt Giovanni Carnero, ein Venediger, und Joh. Schott also: Dieser See sei in des H. Markgrafen Land anzutreffen, zu höchst auf der See-Lohe, und sei auf 40 Klafter nicht zu ergründen. Man solle zu oberst auf diesem Berg etwan einer Spannen tieff einschlagen, so finde man gar grüne Steine, wann man diese in einer Gluth wärmet, so würden sie roth, und wann man sie dann zu Silber leget, so werde aus diesen Steinen gar gut Gold, welches bißher allen Menschen verborgen geblieben.«

»Zelle: Saale. Zu Zelle soll einer vor Alters gewohnt haben, Hildebrand genannt, der zu Hof neun Häuser gebaut, und das Erz dazu geholt haben soll, wo die Saale am Fichtelberg bei Zelle entspringet, welches der Schmied zu Zelle (ehedessen nemlich) wohl weiß.

Bei dem Ursprung der Saale findet man ein Loch, dessen Erde wie ein weißer Laimen ist. Notabene, wenn diese ein wenig von der Sonne gedörret wird, so färbt sie, wie eine blaue Lasur, daß man also wohl etwas mit machen und anstreichen kann. In dieser Gruben oder darunter, daneben, dabei, schlage einen Sinter durch den Laimen, bei ein bis fünf Ellen tief, so findestu einen reinen und wohlgediegenen Goldgang, und von dannen einen Armbrustschuß weit bei dem Flüßlein gegen Hoff zu, da stehet auf einem kleinen Bühel eine Tanne mit vielerlei Zeichen an der Rinde, woselbst man findet dreierlei theure Marcasiten, als Gold, Silber, Kupffer. Der Hügel ist mit Reißig verhauen, notabene daß es nicht jedermann finde, wegen des Hügeleins und Flüßleins allda, damit es verblendet ist. Notabene darunter findet man des Hildebrands seinen Marcasit. Carnero.«

»Luchsburg bei Wunsidel. Dieses Gebürg nahe bei Wunsidel am Fichtelberg ist einer unüberwindlichen, schrecklichen Höhe; darauff siehet man alte Stollen und unterschiedliche Gänge, darinnen findet man Gold und Silber, und das ist nahe bei denen alten Schlössern, so vor Zeiten Raubschlösser derer von Losburg gewesen, daher dieser Berg den nahmen hat. Vor dem einen Schloß gegen dem Thor herauswärts zur rechten Hand ist ein alt Gewölbe oder Keller in die Erden hinein, dafür liegt ein sehr großer Stein, darinnen liegt ein sehr großer eiserner Kasten mit einem unglaublichen Schatz von Gold, Silber und Kleinodien, dieser stehet auf einem viereckigten kupffernen Kessel, der ist voll gemischter Gulden einer Elle hoch und breiter dann eine Elle, obenauf stehet ein Kupfern Gefäß, darin ist eine güldene Crone und schöne Kleinodien von Edelgesteinen,[162] so ehemals die Herren von Losburg einem König abgeraubet und dahin vergraben, wie das Schloß ist zerstöhret worden. Wann du ihn suchen wilst, so suche ihn unter der Staffel, da ist ein viereckigt Loch, darinnen der Schatz stehet, darum müssen die Staffeln von oben herab bis auf den Grund zur untersten abgebrochen werden. Am Sonntag Epiphanias ist er am besten zu heben. Probatum est. Carnero.«

Wie bei den Sagen von den goldenen Kirchen und Kapellen im Innern der Berge, so ist auch hier der Kern der Goldreichthum des Ochsenkopfes oder Fichtelberges, der sich in mancherlei Sprüchen und Symbolen im Volke ausspricht.

Eine alte Begebenheit wird erzählt, welche sich an diese abenteuerlichen Uebertragungen anknüpft.

Ein Venetianer, der häufig das Fichtelgebirge besuchte, kehrte oft bei einem Landmanne in Wülfersreuth ein, welcher ihn gastfreundlich aufnahm und ihm bot, was er vermochte. Einstmals nun kam er wieder, jedoch um für immer Abschied zu nehmen. »Ich kehre jetzt in meine Heimath zurück, um die Früchte meiner langjährigen Mühen friedlich zu genießen,« sagte er, »und werde wohl nie mehr deine gastliche Schwelle überschreiten. Wenn du jedoch einst irgend ein Anliegen auf dem Herzen hast, so komme zu mir in das ferne Venedig, und ich will dir von deinem Kummer helfen. Ich glaube, ich werde dich noch bei mir sehen.« Er schied. Und siehe, nach Jahren zogen schwere Wolken über das kleine Haus, so daß der besorgte Mann keinen Retter mehr wußte aus Noth und Sorgen, als seinen alten Freund in Welschland. Da machte er sich auf, pilgerte hinab gen Süden und erreichte glücklich die große Meerstadt. Nun ward ihm aber bange, als er die weiten Straßen beschaute; wie wollte er seinen Freund ausfindig machen, dessen fremden Namen er längst vergessen? Als er jedoch in halber Verzweiflung die köstlichen Paläste ringsum anstarrte, da rief es plötzlich aus einem derselben: »Hans, Hans!« und ein reichgeschmückter, vornehmer Mann stürzte heraus, um den Staunenden zu umarmen. War das der Venediger in den schlechten schwarzen Kleidern, den er einstens beherbergt? – Er war es und hatte ihn in seiner Fichtelberger Tracht sogleich wieder erkannt; und er führte ihn hinauf in die herrlichen Säle voll Pracht und Reichthum, die den armen Waldmann glauben ließen, Alles sei ein Traum, und vergalt ihm nun Alles tausendfach, was er dem Fremdling einst in seiner Heimath Gutes gethan. Reich beschenkt kam er zurück und führte von da an ein sorgenfreies Leben. –[163]

Zur Erzählung dieser Sage von L. Zapf noch eine Bemerkung des Bruschius. Aus der Wahlensage erklärt sich das Sprichwort, das sich dergleichen Goldsucher etwan haben hören lassen, nämlich, daß man an und um den Fichtelberg eine Kuh werfe mit einem Stein, der Stein sei aber besser denn die Kuh. Da man jedoch seit Jahrhunderten weder die in den Sagen bezeichneten Goldgänge finden, noch die Steine zu Gold brennen konnte, so verbreitete sich der Glaube, daß das Gebirge verwünscht sei, und seine Schätze von Berggeistern verschlossen gehalten würden. Daher ist ein mit einer goldenen Kette und starkem Schloß verwahrter Berg das Sinnbild des Fichtelberges. Doch können nach der Volkssage diese Schätze dereinst von frommen und einfältigen Menschen erhoben werden. Denn am Sankt Johannistag öffnet sich

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 160-164.
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