158. Die Geisterkirche auf dem Ochsenkopf.

[165] Von LudwigZapf.


Einsam, schauerlich und stille

Ist's am hohen Fichtelberg,

Oben fliegen scheu die Raben,

In der Tiefe klopft der Zwerg.


Graue Wolken hängen flockig

In den finstern Wald herein,

Sausend regen sich die Bäume,

Wasser rieseln vom Gestein.


Ungesehen blüht im Schatten

Noch die Wunderblume hold

Und im Innersten verborgen

Düster glüht das rothe Gold.


An dem heil'gen Tage aber,

Der Johanni ist geweiht,

Zeigt sich, wenn sie drunten läuten,

Offen alle Herrlichkeit.


Eine Kirche in den Felsen

Hat sich schimmernd aufgethan,

Edle Schätze, Gold und Silber,

Schaut der Wald verwundert an.


Sonnenhelle Strahlen leuchten

In die Wildniß weit hinein,

Und die alten Bäume prangen

Wunderlich im Zauberschein.


Eile, Menschenkind, zu haschen,

Das zur heil'gen Stelle tritt,

Nimm soviel die Arme fassen,

Doch beflügle deinen Schritt!


Denn wie drunten nun gesprochen

Wird das Evangelium,

Mit dem Wörtlein Amen! krachend

Schließt der Fels sich wiederum.


Wunderbar, wie er erglommen,

Ist erloschen nun der Schein,

Und in seine düstern Schatten

Hüllt der Wald sich wieder ein; –


Einsam, schauerlich und stille

Ist's am hohen Fichtelberg,

Oben fliegen scheu die Raben,

In der Tiefe klopft der Zwerg.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 165.
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