161. Goldsagen vom Epprechtstein.

[167] Der Epprechtstein oberhalb Kirchenlamitz, 3 Stunden von Wunsiedel. – K. Zapf Wanderungen S. 57 ff.


Alle Jahre einmal, jedoch an keinem bestimmten Tage, während der Pfarrer zu Kirchenlamitz das »Vater Unser« auf der Kanzel betet, hebt sich ein Fels und zeigt bis zum Schlusse des Gebets große Haufen Goldes. Mit dem Worte »Amen« senkt er sich nieder und verschlossen auf ein Jahr sind wieder die unermeßlichen Schätze. War nun auch bis jetzt[167] noch Niemand auserkoren, diesen glücklichen Augenblick zu treffen und etwas zu erhaschen, so erhielten doch Einige vor langer Zeit auf folgende Weise mehreres von den Reichthümern: Ein Hirte weidete einst unfern der Ruinen seine Heerde und streckte sich sorglos auf den weichen Rasen. Plötzlich vernahm er ein Geräusch in seiner Nähe. Er blickte auf und gewahrte ein in sonderbare Kleidung gehülltes Mädchen, emsig beschäftigt, abgefallenes Laub mit seinem Rechen umzuwenden. Sie winkte dem Hirten freundlich. Als sich dieser schüchtern genaht hatte, steckte sie ihm alle Taschen voll Laub und verschwand. Ein unheimliches Grauen befiel den Hirten; er wandte sich zu seiner Heerde und trieb dieselbe eiligst nach Hause. Bei den Seinigen angekommen, erzählte er den seltsamen Vorgang und griff dabei in die Tasche, um das Laub vorzuzeigen. Aber – wer beschreibt sein Erstaunen! – Aus jedem Blatt war ein großes blankes Goldstück geworden! – Wäre nicht bereits die Nacht vor der Thüre gewesen, so wäre er schnurstraks wieder auf den Berg geeilt, um alles Laub, das er tragen könnte, zu holen. Diese Nacht ward ihm zur längsten seines Lebens, er konnte kein Auge schließen. Kaum graute der Morgen, so lief er, versehen mit einem großen Sacke, den Berg hinan und nahte sich mit klopfendem Herzen den Ruinen; aber – Alles war verschwunden und nie in seinem Leben erschien ihm wieder die goldspendende Frauengestalt.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 167-168.
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