166. Der ewige Schmied im Fichtelgebirg.

[172] Von J.M.Rath. – Sage des Schneebergs.


Horch! Mitternacht schlägt es,

Zur Mette erschallt

Die Glocke im Wald!

Auf Meister! vom Amboß

Hinweg gleich und ruht;

Das Christkind die Fahrt um

Im Lande jetzt thut.


»Erst schlag' mir das Eisen,

Weil's glühet, zurecht,

Untüchtiger Knecht!

Ein Schlüssel gehämmert

Zur Christmettenzeit,

Dem öffnen die Kammern

Der Schätze sich weit.«


»Die Jungfrau im Haus ging,

Die Tochter, zu Bett,

Vergaß ihr Gebet,

Mit heiligem Quell zu

Besprengen die Thür;

Nun wehrt nichts den Geistern,

Nun helfen sie mir.«


Der Meister schlug rüstig,

Der hämmernde Schall

Erklang ohne Zahl.

Der Schlüssel ist fertig,

Und Schmied und Gesell

Ermüdet, sie schlummern

Selbander zur Stell.
[172]

»He! Schmied! nicht so müßig

Geschnarcht auf dem Sitz!

Auf, sei mir eins nütz!«

Es ruft vor der Schmiede,

Steht draußen so groß,

Als wäre gekommen

Ein Reiter und Roß.


»Der ist nicht geheuer

Der wilde Gespann,

Den ruf' ich nicht an!«

Wohl schreckt es den Meister,

Ein Grauen ihn faßt;

Das Zögern, es bringt nur

In Hitze den Gast.


Der schlägt mit dem Kolben

Mit abermal drei

Die Thüre entzwei.

Und richtet sich hoch auf

Im niederen Bau,

Wie ist er so düster

Wie ist er so rauh!


Wie hat er vom Helm und

Vom Panzer und Schwert,

So schnell sich entwehrt.

»Die Beulen im Harnisch,

Im eisernen Hut,

Die klopfe mir, Meister!

Und glätte sie gut!«


Er spricht es, und lehnt auf

Den Kolben sich stumm,

Und schauet sich um.

Der Meister ist müde

Vom vorigen Tag,

Und fürchtet des Gastes

Gedroheten Schlag.


Jetzt nimmt er den Helm und

Den Panzer zur Hand,

Und klopft unverwandt.

Es schwingt der Gesell auch

Des Hammers Gewicht.

Sie schlagen, sie treiben,

Und glätten doch nicht.


Wo ist nun der Schlüssel?

Weit offen die Thür,

Der Gast nicht mehr hier!

Zum Kämmerlein führt ihn,

Zur Jungfrau im Haus,

Der Schlüssel; den Schatz spür't,

Den theuren er aus.


Es krähet der Hahn und

Der Morgen wird hell,

Wie staunt der Gesell!

Er hämmert am Amboß,

Der Meister der schlug

Die Tochter, daß sie es

Nicht länger ertrug.


Vom Reiter im Boden

Sieht man noch den Tritt,

Die Spuren vom Ritt;

Und annoch in Nächten

Der Mette im Thal

Am Schneeberg vernimmt man

Den hämmernden Schall.


Ihr Mädchen! vergeßt nicht

Das Abendgebet,

Zu weih'n euer Bett;

Es klopft noch der Schmied und

Der Gast geht noch um,

Und noch hängt der Schlüssel

Nicht im Heiligthum!

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 172-173.
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