184. Das Zwergloch bei Marlesreuth.

[186] Ausf. Beschreib. des Fichtelbergs, S. 93. Grimm d.S. I., 42. C.v. Falkenstein Buch der Kaisersagen S. 96. Mündlich von L. Zapf.


Zwischen Selbitz und Marlesreuth (bei Naila) befindet sich im Wald eine Felsenhöhle. Man heißt sie das Zwergloch. Hier unterm Felsen wohnten vor mehr als hundert Jahren Zwerge, die mit den Bewohnern der Ortschaft Naila Verkehr hatten.

Zwei redliche und glaubwürdige Männer aus Marlesreuth, Albert Neffel und Hans Kohmann, welche daselbst in hohem Alter in den Jahren[186] 1679 und 80 starben, haben darüber dem Pfarrer Hedler zu Selbitz den 15. Juli 1654 folgenden Bericht abgestattet.

Des Kohmanns Großvater fuhr einst mit zwei Pferden auf seinen Acker in der Nähe des Zwerglochs. Sein Weib hatte ihm zum Frühstück ein neugebackenes Brod zugebracht, es in ein Tuch gewickelt an den Rain gelegt, und war nach Gras auf die Wiese gegangen.

Da kommt in einer Weile ein Zwergweiblein und bittet den Ackersmann, ihm das Brod zu geben, das ihrige läge noch im Ofen, die hungrigen Kinder aber könnten nicht abwarten, bis es fertig wäre, Mittags wollte sie's richtig zurückerstatten. Der alte Kohmann hat dem Weiblein das Brod herzlich gern hingegeben.

Mittags kommt darauf die Zwergin wieder und bringt einen noch warmen Kuchen auf sehr weißem Tuche, reicht ihn jenem mit Dank und sagt, er möge das Brod nehmen und ohne Scheu genießen, ihr Tüchlein aber liegen lassen, da sie es selbst abholen würde.

Dieß ist auch geschehen. Und das Weiblein hat hinzugefügt, nun müßten sie bald scheiden und ihren bequemen Sitz hier verlassen, denn es würden so viel Hammerwerke in der Gegend aufgerichtet, die sie beunruhigten; auch vertreibe sie das viele Schwören und Fluchen der Menschen umher, gleich wie die Sabbatsentheiligung, wo die Hausväter vor der Frühsonntagskirche auf's Feld gingen und die Früchte beschauten, welches doch sündlich wäre.

An einem Sonntage sind einmal etliche junge Marlesreuther Bauern mit Lichtern in die Zwergenwohnung, bald aufrecht, bald gebückt, eingedrungen und nach langem Gehen endlich auf einen geräumigen Platz in viereckiger Form und zierlich mit Felsen ausgearbeitet, gelangt. Nach allen Seiten hin haben sie viele kleine Thüren und Kämmerlein gefunden und zum Theil besehen.

Da ist ihnen aber ein Grausen angekommen, sie haben den Rückweg wieder gesucht, und sind Alle einige Tage unwohl gewesen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 186-187.
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