200. Der alte Fuhrmann.

[199] Von L. Braunfels. – Auf einer Anhöhe bei Baunach liegt die Magdalenenkapelle, 1473 von dem Fuhrmann Ueberkum (Victor) zu seiner Begräbnißstätte gestiftet. – Gropp Wirtzb. Chronik I., 191.


»So manches Jahr ist's, daß ich zog

Mit dem Gespann thalein, thalaus;

Nur wo ich Luft der Alpen sog,

Im fremden Land war ich zu Haus.

Nun sind die Pferde blind und matt;

Krank lieg ich auf der Lagerstatt.


O daß mich bindet Todes Band

In enger Heimath, zwiefach Weh!

O läg' ich hoch an Bergeswand,

Bestattet im Lawinenschnee,

Daß meine Seel' aus leichter Gruft

Vernähm' den Gruß der Alpenluft.


Wenn still mein Herz, mein Körper kalt,

Lad' ihn, mein Knecht, dem Wagen auf;

Spann vor die Rosse, blind und alt,

Laß ihren Hufen freien Lauf:

Und wo sie ruh'n, da sei dir's recht;

Da grab' mich ein, du treuer Knecht.«


Des alten Fuhrmanns Herze brach,

Hat von den Alpen ausgeträumt.

Und was der Alte sterbend sprach,

Der treue Knecht hat's nicht versäumt;

Es zieh'n die Rosse, blind und matt,

Den todten Herrn zur Ruhestatt.


Durch Wald und Flur sie schleichen sacht,

Bis zu dem Berg, der einsam steht:

Da ist die alte Kraft erwacht;

Hinauf geht's, wie vom Sturm geweht,

Da hält hoch oben das Gespann;

Da gräbt ein Grab der treue Mann.


Wo still nun die Kapelle ragt,

Vom Athem des Gebirgs umkreist,

Wenn's durch die Nächte klingt und klagt,

Das ist des Alten trüber Geist;

Das ist von ferner Alpenluft

Der Gruß in eines Wandrers Gruft.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 199-200.
Lizenz:
Kategorien: