233. Die Gründung der Stadt Kitzingen.

[225] Var. d. vor. Sage, erzählt von Dr. Zöllner.


Es war im Jahre des Heils 746. Da saß in einer schwülen Septembernacht Adelheid, des Herzogs Pipin Töchterlein, an einem Fenster ihres Schlosses auf dem Schwanenberge, die Blicke gegen Süden gerichtet zu dem vollen Monde, der hinter düstern Gewitterwolken spärlich hervorblickte, und zuweilen den Weg mit ihren Blicken verfolgend, der zu dem Städtchen Pipinhofen, jetzt Iphofen, führte, welches schon freundlich aus der Wildniß hervorragte.

Denn dort hauste Ritter Karl, schlank und fein, sehnsuchtsvoll nach dem herzoglichen Fräulein schmachtend, und, weil er gar oft von seiner Wohnung aus den Berg beschaute, wo sie wohnte, von seinen Spießgesellen der Guckenberg genannt wurde, woher noch bis auf den heutigen Tag eine Familie jenes Städtchens ihren Namen führen soll. Täglich bei einbrechender Nacht stellte er sich unter den Fenstern Adelheids ein, doch heute konnte er nicht. Immer dunkler ward die Nacht, sie sang ein ernstes Lied und spielte dazu auf ihrer Leier. Aber der Heißersehnte erschien nicht. Umsonst suchten die sie umgebenden Edelfräulein sie zu trösten.

Endlich erschien der Ritter Karl um Mitternacht und erzählte der Harrenden, wie er in des heil. Stephanus Marktflecken (Marktsteft) gewesen, wo in diesem Jahre ein munteres Völklein sein erstes Kirchweihfest beging, wie er dort im ritterlichen Wettkampfe den ersten Preis aus den Händen der schönsten Dame davongetragen, auch der Ehre gewürdiget worden, die Holde zum Reigen zu führen.

Darob ergrimmte in Eifersucht des Herzogs Tochter. Auch der Herzog Pipin schwor in seinem Zorn, nie solle der Verräther hoffen, die reine Hand der Prinzessin zu erhalten.[225]

Traurig zog sich Karl nach seiner Burg zurück, und hatte nur noch den einzigen Trost, nach dem Berge zu blicken, wo seine Liebe wohnte. Traurig ging auch die Sonne des anderen Morgens für Adelheid auf. Der Sturm der Leidenschaft hatte sich gekühlt, es war Alles so öde, aber des Vaters Zorn vereitelte jede Hoffnung. Sie entschloß sich daher, nach damaliger Sitte, ein Kloster zu gründen.

Die Auswahl des Platzes stellte sie dem Himmel anheim, und warf bei einem Sturmwinde ihren Handschuh von der Schwanenburg Zinnen hoch in die Luft. Wo er niederfalle und gefunden würde, da wolle sie ihr junges Leben vertrauern.

Es hauste aber damals am rechten Mainufer in zerstreuten Hütten ein alt-deutsches Geschlecht, abgehärtet durch Fischerei, Vogelfang und Jagd, seine Lieblingsbeschäftigungen. Hier war es am Saum eines Waldes, wo ein Jäger, diesen Handschuh für einen Hasen im Lager ansehend, sein Geschoß auf ihn abdrückte und dieses so durchbohrte Zeichen der Prinzessin überreichte.

Dem Gelübde gemäß gründete nun Adelheid auf dem Platze des gefundenen Handschuhes am 23. September 745 das berühmte Nonnenkloster, welches sie nach dem Namen des Jägers, er hieß Chiez, Kitzingen nannte, und ließ unter dem Namen Thekla sich zur Aebtissin weihen. Bald erhielt sie viele Gesellschafterinnen, die ein ähnliches Geschick im Kloster beweinen wollten, den Jungfrauen aber zog sich viel anderes Volk nach, und erbaute rings umher an den Ufern des Maines die zierliche Stadt Kitzingen.

Ritter Karl aber, als er die Schreckenspost, daß seine Geliebte den Schleier genommen, gehört hatte, wollte der Stätte nahe sein, wo sie für ihn lebendig todt war. Er siedelte sich also mit mehreren Getreuen dem Kloster gegenüber am linken Mainufer an und nannte den Ort, zum Zeichen, daß ihm Adelheid auch als Aebtissin Thekla noch Etwas gelte, Etwashausen, welches jetzt noch die Vorstadt von Kitzingen ist. Auch soll von der Klosterkirche in Kitzingen unter dem Maine hindurch ein unterirdischer Gang in die Kreuzkapelle zu Etwashausen geführt haben.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 225-226.
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