261. Bilhildis zu Veitshöchheim.

[253] Gropp coll. nov. script. Wirceb. II., 765 sq. Desselben Wirtzb. Chronik I., 39 ff. u. A. Bechstein a.a.O. S. 28.


Bilhildis war eines angesehenen Frankengrafen Iberich Tochter; ihre Eltern waren beide dem königlichen Hause Dagoberts verwandt; sie wurde geboren in dem Orte, den man heutzutage Veits-Höchheim nennt, und es trug sich zu, daß sie, obschon ihre Eltern Christen waren, das Sacrament der Taufe nicht empfing, weil die landverderblichen Hunnen durch ihre Einfälle den Christenglauben fast ganz vertilgt und alle Priester getödtet, oder zur Flucht gezwungen hatten. Im dritten Jahre ihres Alters kam sie zu einer Verwandten nach Würzburg auf deren Begehren, damit diese an der Holdseligkeit Bilhildis die Freude empfinden möge, die ihr durch den Mangel eigener Töchter versagt war. Diese Verwandte, Kunigunde mit Namen, war eine fromme, christliche Matrone, die das zarte Kind in den Geheimnissen des Christenglaubens unterrichtete, und auch durch Priester unterrichten ließ, so daß Bilhildis unter die Zahl der Katechumenen aufgenommen wurde, welche demnächst zur Taufe gelangen sollten. Da[253] geschah abermals ein Hunneneinfall, die Taufe der Bilhildis unterblieb, und kam in Vergessenheit, sie selbst aber wußte nicht, daß sie nicht getauft war.

Bilhildis erblühte, später wieder zu ihren Eltern zurückgekehrt, zu einer sehr liebreizenden Jungfrau, die sich jedoch vornehmlich in den Schmuck der Tugend kleidete, und von allen Heidengräueln sich fern hielt, ja schon frühzeitig dahin wirkte, daß gewisse anstößige und der Tugend gefährliche Tänze und Gebräuche abgestellt wurden. Der Ruf ihrer Schönheit, Sitte und Anmuth flog weit in alle Gauen, und drang auch zu den Ohren Hetans, des Thüringerherzogs Radulf Sohn, welcher Wittwer war, und dem von seiner ersten Gemahlin zwei Söhne lebten. Dieser warf ein Auge auf die seltene Jungfrauenperle, und warb um sie. Vergebens wurde Bilhildis Jugend, und der Unterschied des Glaubens eingewendet; der zudringliche Freier ließ sich nicht abweisen, und Bilhildis ward ihm vermählt. Willig dem Gebot ihrer Eltern sich fügend, fand sie reichen Anlaß zu Schmerz und Kümmerniß, da sie wahrnahm, daß ihr Gemahl kein Verlangen nach Bekehrung trug, und an seinem Hofhalt so Manches vorging, was ihren Ansichten und Grundsätzen widerstrebte. Sie lebte daher sehr eingezogen, ascetisch, schmucklos, und unterzog sich harten Bußübungen und Kasteiungen. Als die Zeit kam, daß die Herzogin Bilhildis sich Mutter fühlte, brach ein neuer Krieg aus, und Hetan war besorgt, wohin er seine Gemahlin sicher bringen solle, falls der Ausgang des Krieges für ihn nicht siegreich wäre, und der Feind in das Land bräche. Ungern gab er ihren Bitten und ihrem Verlangen nach, sie zu ihrer Mutter ziehen zu lassen, doch ließ er dieses endlich geschehen. Vielleicht ahnete er, daß Bilhildis im Sinne habe, ihn ganz zu verlassen, die alle ihre Kostbarkeiten und Kleinodien mit sich hinwegnahm, ihre Dienerschaft aber, die sie als Herzogin bis nach Höchheim begleiten mußte, von da zurücksandte. Sie hatte ihr Vorhaben sowohl ihrer Mutter, als dem König Siegbert, ihrem Verwandten, offenbart, und der letztere sagte ihr nicht nur alle Hülfe zu, sondern lud sie auch nach Mainz ein. Da setzte sich Bilhildis mit einigen vertrauten Jungfrauen eines Abends, als Niemand ihre heimliche Flucht ahnete, getrost auf ein Schifflein, und fuhr den Main abwärts. Und es ruderten und lenkten Engel das Schiff, daß es mit wunderbarer Schnelle über den Strom glitt, und mit dem anbrechenden Tage Bilhildis vor Mainz anlegte. Dort lebte sie nun unerkannt und in tiefer Verborgenheit.[254]

Bilhildis genas in Mainz eines schönen Prinzen, dem sie den Namen Siegbert beilegen ließ, allein nach wenigen Jahren starb dieses Kind, und nicht lange nachher kam auch die Nachricht, daß Herzog Hetan mit Tode abgegangen sei. Nun war Bilhildis ganz frei und konnte sich nach ihrem Gefallen ohne ein weltliches Hinderniß dem heiligen Leben widmen, wie sie denn auch that. Sie kasteite ihren zarten Leib durch Bußkleider, härene Hemden, Fasten und Schlafentziehung, bis sie die äußerste Abmagerung zur Schau trug. Dabei war sie eine Mutter der Armen, eine Trösterin der Nothleidenden, eine Pflegerin der Kranken, und wurde Stifterin des Klosters Alt-Münzer zu Mainz, (altum Monasterium), zu dessen Gründung und Erbauung sie ihr väterliches Erbtheil verwendete. Hierauf nahm sie ein geistliches Ordenskleid, führte das beschaulichste Leben und war lebhaft in einem übernatürlichen Glauben, fest in Hoffnung, und vollkommen in der Liebe Gottes und des Nächsten.

Als das Leben der gottseligen Frau sich zum Ende neigte, offenbarte ein Traum dreien ihrer untergebenen Klosterfrauen, daß Bilhildis, ihre Mutter und Oberin weder das Sacrament der Taufe, noch das der Firmung empfangen habe; dieses Gesicht hinterbrachten die Drei, nach überwundenem Bedenken, der Bilhildis, die aber ihrer Rede wenig Glauben schenkte, bis auch dem Bischof, dem sie sich anvertraute, die gleiche Offenbarung wurde. Nun bereitete Bilhildis sich mit Ernst und Andacht auf den Empfang dieser Sacramente vor, und empfing sie mit gottfreudigem Herzen.

Nach diesem entzog sich die Fromme allen zeitlichen Geschäften, versagte sich dem Zuspruch weltlicher Personen, fastete ganze Tage und ließ ihren Geist durch den Vorschmack himmlischer Freuden sättigen.

Als es mit ihr zum Sterben gekommen und ihr seliger Geist eingegangen war in das Friedensreich, erschien um ihre irdische Hülle ein ungewöhnlicher Glanz, und ein wundersamer Wohlgeruch erfüllte ihr Sterbezimmer. Kranke genaßen in der Nähe der Entseelten, Blinde erlangten ihr Gesicht wieder, Tode wandelten. Bilhildis war die erste Heilige des Frankenlandes. Eine spätere, dankbare Zeit stiftete ihr einen Festtag zu Veitshöchheim, ihrer Geburtsstadt, und bewahrte dort ihre Reliquien auf.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 253-255.
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