289. Der Geisfuß.

[278] A.v.Herrlein S. 123.


Vor vielen Jahren hörte einmal ein Fischer von Langenprozelten auf der andern Seite des Maines »Fährer hol!« rufen. Es war schon Nacht und ein abscheuliches Wetter; ein dichtes Schneegestöber ließ kaum drei Schritte weit sehen und der Sturm heulte, daß man fast sein eignes Wort nicht hörte. Dennoch klang das »Fährer hol!« deutlich und laut herüber. Den Fischer dauerte die arme Seele, die bei solchem Unwetter auf die Ueberfahrt harrte, er entschloß sich, den Rufer abzuholen. Er war noch nicht ganz am linken Ufer, da sprang ein kräftiger, großer Mann in einem dunkeln Mantel hinein, und der Nachen sank augenblicklich so tief in's Wasser, daß der Rand kaum fingersbreit war. Der Fischer ruderte aus Leibeskräften, um den unheimlichen Gast bald an's Land zu bringen, und der sprang auch, sobald er in die Nähe des rechten Ufers gelangte, hinaus, und eilte ohne Lohn und Dank davon. Der Fischer war nur froh, daß der unheimliche Mann fort war, und verzichtete gern auf den Fahrlohn; den andern Morgen betrachtete er sich die Stelle, wo der Mann an das Ufer gesprungen, und fand im harten Gestein eine große Geisklaue tief ein gedrückt. – Die Geisklaue ist unterhalb Langenprozelten noch zu sehen.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 278-279.
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